Rechentrick als Argument für Ost-West-Straßen

■ Senat will Personen- und Lastwagen nun doch mitten durch die Stadt fahren lassen

Berlin. Die geplante Verbreiterung und der Neubau von Straßen in Berlins Zentrum ist nicht nötig – wenn die CDU/SPD-Koalition sich an ihre Versprechen hält. Diesen Schluß legt ausgerechnet ein Gutachten nahe, das Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) in Auftrag gegeben hatte und das der taz vorliegt. Das Delikate an der Studie: Die „Straßenverkehrsnetzanalyse“ benutzt der Senat als Argument dafür, daß zwischen Invalidenstraße und Landwehrkanal 14 Fahrspuren für den Kraftfahrzeugverkehr geschaffen werden müssen – unter anderem mit der engen Umfahrung des Brandenburger Tores, dem Bau der Kronprinzenbrücke über die Spree und der Verlängerung der Französischen Straße durch die Ministergärten. Die Ost-West-Straßenverbindungen wollen Bundesregierung und Senat Ende des Monats im Gemeinsamen Ausschuß Bonn/Berlin beschließen.

Aus dem Gutachten geht hervor, daß der Senat auch im Jahr 2010 diejenigen Auto- und Lastwagenfahrer mitten durch die Stadt fahren lassen will, die gar nicht ins Zentrum um das Brandenburger Tor und den Alexanderplatz wollen. Von den dann 7.700 Kfz- Fahrten je Richtung und Stunde werden laut Gutachten 4.100 Fahrzeuge den Weg durch das Zentrum lediglich als Abkürzung nehmen. Würden sich die Koalitionsfraktionen CDU und SPD an ihre Vereinbarung halten, die Innenstadt vom Durchgangsverkehr zu verschonen, brauchte vermutlich keine einzige Straße verbreitert, geschweige denn neu gebaut werden.

Bislang hatten selbst Verkehrsstaatssekretär Ingo Schmitt (CDU) und der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Rainer Giesel, die Vervollständigung des inneren Straßenrings (Kanaluferstraßen, Oberbaumbrücke, Warschauer Straße, Dimitroffstraße, Invalidenstraße, Tiergartentunnel) damit begründet, den Durchgangsverkehr „weitgehend“ über den Ring abzuleiten. Die SPD hatte damals unter der Maßgabe zugestimmt, daß in das Gebiet innerhalb des Rings nur jene mit dem Auto dürfen, die dort hinwollen. Innerhalb dieses Gebietes sollte nur noch ein Fünftel aller Wege mit Auto und LKW erledigt werden. Langfristig, sagte die verkehrspolitische Sprecherin der SPD, Käthe Zillbach, im Anschluß an die Verhandlungen mit der CDU im Dezember 91, müsse die Stadt auch außerhalb des Ringes konsequent verkehrsberuhigt werden.

Doch inzwischen hat sich ihre Partei in der Verkehrspolitik um 180 Grad gewendet. „Wir sind mit den geplanten Ost-West-Verbindungen ziemlich zufrieden“, sagte Zillbach der taz. Schließlich werde die Leipziger Straße nicht verbreitert. Die Verabredung zum Durchgangsverkehr, gab sie zu, sei zur Zeit „nicht in der Debatte“. diak