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Stürmisches Geschäft für Windkraftanlagen

■ In Deutschland gibt es 1.200 Windräder / Tendenz zu größeren Maschinen

Hannover (taz) – Welche Branche in Deutschland hat zur Zeit so viel Rückenwind, daß sie ihren Umsatz um 30 Prozent steigern kann? Die Windkraftanlagenindustrie. Anlagen im Wert von mehr als 210 Millionen Mark konnte sie im letzten Jahr verkaufen. Obwohl die Stromlobby versucht, ihrer natürlichen Konkurrenz dauernd in die Parade zu fahren, gibt es inzwischen etwa 1.200 Anlagen in Deutschland. „Europaweit werden so etwa 1.000 Megawatt erzeugt – das ist etwa soviel, wie ein Block eines Atomkraftwerks schafft“, freut sich Joachim Behnke, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Windenergie (DGW).

Günstig ausgewirkt hat sich hierzulande vor allem das Stromeinspeisungsgesetz vom Januar 1991, das den Stromgiganten vorschreibt, die Energie anderer Erzeuger aufzunehmen und nach einer festgelegten Formel zu bezahlen. Etwa 16,5 Pfennig bekommen die BetreiberInnen von Windrädern zur Zeit pro Kilowattstunde; in früheren Zeiten gerierten sich die Atomstromer schon als gnädig, wenn sie „freiwillig“ zwischen 6,5 und 8 Pfennig abdrückten – die angeblichen Erzeugerkosten bei Atom- und Kohlekraftwerken. „Aber die Rechnung ist völlig schief“, meint Behnke, denn weder das von den SteuerzahlerInnen finanzierte Lager in Gorleben, noch Umweltschäden durch den Urantagebau oder die Folgen des sauren Regens würden in diesem Preis miteinberechnet. „80 Pfennig sind wohl realistischer“, glaubt der Vereinschef und beruft sich auf die Untersuchungen des Wissenschaftlers Olaf Hohmeyer vom Fraunhoferinstitut in München, der die sozialen Kosten der Kohle- und Atomstromproduktion errechnet hat. „Und Gesundheitsschäden der Bevölkerung, insbesondere Leukämieerkrankungen, sind bei diesem Wert noch nicht einmal miteinberechnet.“ Müßten also die konventionellen Stromer für die von ihnen verursachten Schäden aufkommen, wären die Windkraftanlagen, für die die Länder beim Bau bis zu 25 Prozent zuschießen, auch ohne Subventionen konkurrenzfähig und würden sich nicht erst nach durchschnittlich sieben Jahren amortisieren.

Aber auch auf andere Weise versuchen die großen Stromkonzerne, der neuen Konkurrenz künstliche Flauten zu bescheren. Mit horrend hohen Anschlußkosten hoffen sie, viele Investoren abzuschrecken. Behnke gibt ein Beispiel: Die Energieversorgung Weser-Ems (EWE), hinter der die Preussen Elektra als Hauptanteilseignerin steht, wollte von einem Bauern aus der Nähe von Oldenburg 190.000 Mark für einen Netzzugang haben. Die 250-Kilowattanlage selbst hatte den Landwirt etwa 600.000 Mark gekostet, die Materialkosten für das 800 Meter lange Kupferkabel wurden mit 120.000 Mark veranschlagt. „Das wären 70.000 Mark Lohn für zwei Tage Arbeit gewesen“, rechnet Behnke vor. Der Bauer habe schließlich den Anschluß selbst installiert.

Waren es vor einigen Jahren vor allem Idealisten, die sich eine Windanlage bauten, sehen immer mehr Betreiber darin eine wirtschaftliche Perspektive. Der Trend geht darum zu größeren Maschinen; die Durchschnittsleistung liegt inzwischen bei 177kW, an den Küsten sogar bei 225kW, wofür 45 Haushalte mit Strom versorgt werden können. Die größten Anlagen schaffen 500kW und haben einen Raddurchmesser von etwa 40 Metern.

„Eine solche Anlage macht natürlich einigen Krach“, benennt Behnke eines der Hauptprobleme der Windenergie. Direkt am Rotor werden 95 bis 105 Dezibel (dB) gemessen, in reinen Wohngebieten dürfen davon nur 35dB ankommen, so daß gelegentlich ein Abstand von 800 Metern nötig ist – insbesondere bei ganzen Windparks. In Dänemark, wo die Windenergienutzung wesentlich weiter ausgebaut ist, gab es wegen der Lärmbelastung bereits an mehreren Orten Proteste gegen den Bau neuer Anlagen.

In Deutschland aber ist die Windenergie im Aufwind. StädterInnen, die selbst keinen Acker haben, will die Deutsche Gesellschaft für Windenergie dafür gewinnen, Geld für ein Kollektivwindrad zu investieren unter dem Motto: „Erzeugen Sie mit 5.000 DM Jahr für Jahr den gesamten Stromverbrauch ihres Haushalts schadstofffrei!“ Annette Jensen

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