■ Slobodan Milošević: Wie er sich der Medien bedient
„Wir sind eine hypnotisierte Menge“, faßte Cane, der Sänger der Belgrader Punkband „Partibrejkers“, im Sommer 1992 das Werk des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević in einem Song zusammen. Instrument der skrupellosen Machtpolitik des ehemaligen Direktors der „Beogradska Banka“ waren während seines kometenhaften Aufstieges immer die Medien. Deren Effektivität bei richtigem Einsatz bekam zuerst der serbische Parteichef Ivan Stambulić zu spüren.
Milošević, den der große alte Mann der serbischen Titoisten bis dahin protegiert hatte, stürzte seinen Förderer 1987 in einer bis dahin im sozialistischen Jugoslawien beispiellosen Kampagne: Anhand der überdurchschnittlich hohen Geburtenraten der albanischen Mehrheitsbevölkerung in der damals noch „Autonomen sozialistischen Region Kosovo“ ließ Milošević sein Hausblatt, die Boulevardzeitung Politika Ekspres, die unmöglichsten Theorien über einen geplanten Genozid an der serbischen Minderheit zwischen Amselfeld und Ohrid- See verbreiten. Die hohen albanischen Geburtenraten seien nicht etwa eine Folge der wirtschaftlichen Unterentwicklung des Kosovo, sondern Ausdruck einer gezielten Strategie. Mittelfristig sollten die Serben aus dem Kosovo vertrieben und das Gebiet der kommunistischen „Republik Albanien“ angegliedert werden.
Für die ländliche serbische Bevölkerung ist der Kosovo ein Mythos, der sie von klein auf begleitet. Hier wurde im Jahre 1389 der serbische König Stjepan Dušan von den osmanischen Türken besiegt, die knapp 600 Jahre danach – die Zeit, in denen Muslime Serbien beherrschten – gelten bei den meisten orthodoxen SerbInnen als eine dunkle Zeit. Die Tatsache, daß eine Mehrheit der Kosovo- AlbanerInnen ebenfalls Mohammed den Vorzug vor Jesus Christus geben, lieferte den Milošević hörigen Medien den Vorwand zu den abwegigsten Geschichten.
Tagtäglich vergewaltigten, plünderten, brandschatzten die Kosovo-Albaner auf der Seite 1 des Belgrader Ekspres. Da halfen auch unabhängige soziologische Untersuchungen nichts, aus denen klar hervorging, daß weder Kriminalitäts- noch Vergewaltigungsraten der albanischen Bevölkerung höher liegen als die der SerbInnen.
Stambulić sowie der alten titoistischen Garde wurde Versagen ob eines frei erfundenen „schleichenden Genozids am serbischen Volk“ vorgeworfen. 1987 wurde Slobodan Milošević Parteichef. Sofort nach der Wahl machte sich der Mann aus der Kleinstadt Požarevac an die Gleichschaltung der anderen Medien Serbiens. Politika – seit ihrer Gründung im Jahre 1913 das liberale Aushängeschild des Belgrader Bürgertums – begann, den Ekspres durch noch unglaublichere Gruselgeschichten zu überbieten. Als nächstes war das Belgrader Fernsehen an der Reihe, dann das Nachrichtenmagazin Nin.
Das System, das Milošević und die von seinen Leuten dominierte serbische Nomenklatura bei der Gleichschaltung anwandten, war denkbar einfach: Erst wurde die jeweilige Chefredaktion entsprechend der Wünsche des Apparates umbesetzt, dann flatterten widerspenstigen RedakteurInnen die Kündigungen auf die Schreibtische.
Daß sich im Fall von Nin ein Teil der Belegschaft lieber auf das Abenteuer einließ, mit Vreme ein eigenes, wirtschaftlich unabhängiges Produkt auf den Markt zu werfen, stört Milošević offenbar nicht. Die meisten SerbInnen können sich, kriegs- und sanktionsbedingt, mittlerweile ohnehin keine Zeitung mehr kaufen. Das Fernsehen aber, daß weiterhin kostenlos für alle SerbInnen zu empfangen ist, regiert „Slobos“ Clique mit eiserner Hand. Rüdiger Rossig
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