: Kleiner „Feuerwehrmann“ mit großen Freunden
■ Dschibutis Präsident Gouled hat alle politischen Umwälzungen am Horn von Afrika überstanden / Jetzt hat er umstrittene Präsidentschaftswahlen gewonnen
Berlin (taz) – Hassan Gouled Aptidon gehört zu jener selten gewordenen Spezies afrikanischer Politiker, die ihr Land seit der Unabhängigkeit ununterbrochen regieren und darüber sehr alt werden. Im Alter von 77 Jahren hat Gouled sich am vergangenen Wochenende als Präsident von Dschibuti bestätigen lassen – ein Amt, das er seit dem Ende der Kolonialherrschaft über das einstige „Französisch-Somaliland“ am Roten Meer im Jahre 1977 innehat.
Gäbe es zu Gouled eine Alternative in dem Kleinstaat, der gerade eine halbe Million Einwohner zählt, so wäre sie wohl auch gar nicht zum Zuge gekommen. Der bekannteste Oppositionsführer, Ali Aref Bourhan, sitzt seit über zwei Jahren im Gefängnis.
Aref und Gouled symbolisieren die zwei Gesichter des Staates, dessen offizielle Bezeichnung vor der Unabhängigkeit „Französisches Territorium der Afar und Issa“ lautete: Präsident Gouled gehört zu den Issa, ein somalischer Clan, der hauptsächlich im Norden Somalias lebt; Gefängnisinsasse Aref ist ein Afar, ein auch in Eritrea und Äthiopien ansässiges Volk. Der unterschiedliche Status der beiden Politiker verweist auf die Stellungen der beiden Völker. Die Issa beherrschen den Staat, die Afar sehen sich als Unterdrückte. Noch zu Kolonialzeiten war es andersherum gewesen: Der lange Weg zur Unabhängigkeit wurde zwischen Franzosen und Afar ausgehandelt, mit Aref als Führer der letzteren. Daß ein Issa schließlich Präsident wurde, lag an der französischen Angst, der neue Staat könnte auseinanderfallen und zur Beute der Nachbarn Somalia und Äthiopien werden; ein ethnisches Gleichgewicht wurde gesucht.
Gouled, in den 60er Jahren Parlamentsabgeordneter für Dschibuti in Paris und später Führer der „Afrikanischen Volksliga für die Unabhängigkeit“ (PLAI), galt als Garant dieses Gleichgewichts, gestützt von einer riesigen französischen Militärbasis, die auch Dschibutis Wirtschaft am Leben hält. 1981, als er sich zum ersten Mal vom Volk wählen ließ, zeigten ihn Plakate als Feuerwehrmann, der mit Wasser aus der Bucht von Tadjoura die Konflikte zwischen Äthiopien und Somalia löscht.
„Präventive Unterdrückung“
Doch ist der Gouled-Staat immer auch Inbegriff von Ungleichgewichten gewesen. Bereits 1977 wurden die politischen Freiheiten abgeschafft. „Die Armee ist im wesentlichen damit beschäftigt, das Afar-Land zu kontrollieren und präventiv zu unterdrücken“, erklärte damals ein enttäuschter Mitstreiter Gouleds, Ahmed Dini. Mit Äthiopiens Diktator Mengistu verstand sich Gouled bestens: 1979 vereinbarten die beiden die Einstellung der Unterstützung von Afar-Gruppen im jeweils anderen Land; 1986, zum Höhepunkt des Eritrea-Krieges, wurde die für die äthiopische Wirtschaft lebenswichtige Eisenbahnlinie zwischen Addis Abeba und Dschibuti nach elf Jahren Pause wieder geöffnet.
Als im November 1991 die Afar-Guerillafront FRUD („Front für die Wiederherstellung von Einheit und Demokratie“) den bewaffneten Kampf aufnahm und blitzschnell die Nordhälfte Dschibutis eroberte, schien das Ende des Staates nahe. Die Afar von Dschibuti, so eine in Regierungskreisen damals verbreitete Angst, könnten sich mit denen in Eritrea und Äthiopien verbinden – wo Mengistu mittlerweile gestürzt war – und den Staat spalten. Frankreichs Armee hielt sich zurück. „Die französischen Freunde halten sich nicht an das Sicherheitsabkommen“, klagte Gouled gegenüber Libération im Februar 1992 und bestätigte, er habe in China Waffen gekauft.
Während das Pariser Interesse an Gouled danach wieder spürbar wuchs, hat der Präsident seitdem eine Doppelstrategie aus Repression und Öffnung gefahren, um – als einziger Herrscher am Horn von Afrika – sein Regime zu retten. Er vergrößerte die Armee von 3.000 auf 15.000 Soldaten und begann vor zwei Monaten eine Militäroffensive, die die Guerilla in die Berge zurückwarf – was diese auf französische Hilfe zurückführt. Er führte im Dezember 1992 pluralistische Parlamentswahlen durch, bei denen die Opposition jedoch aufgrund des Mehrheitswahlrechts keinen einzigen Sitz erhielt.
Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl – 61 Prozent für Gouled, 22 Prozent für den wichtigsten Gegenkandidaten Djama Elamé – gilt ihm nun als Erfolgsbeweis seiner Strategie. Seine Gegner sind jedoch anderer Meinung. Elamé beklagte „Einschüchterung“, und die FRUD – die die Afar-Bevölkerung erfolgreich zum Wahlboykott aufgerufen hatte und vor der Wahl das Wasserwerk der Stadt Tadjoura in die Luft sprengte – sprach schlicht von „Wahlsimulation“. Dominic Johnson
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