Verhandlungen mit Birmas Militärjunta?

Das Bündnis ethnischer und politischer Oppositionsgruppen sucht nach einer gemeinsamen Strategie  ■ Von Dorothee Wenner

Aus einiger Entfernung wirkt die Situation wie der Auftakt zu einem spannenden Actionfilm: eine kriegsmüde Guerillatruppe versucht ihre Verbündeten an einen Tisch mit dem gemeinsamen Feind zu bringen. Dieser ist jedoch bis an die Zähne bewaffnet – und niemand weiß, ob die Friedensverhandlungen zur Kamikaze-Aktion geraten. Wie beim letzten Mal, vor knapp 30 Jahren, als der „Gastgeber“ die meisten seiner Besucher hinterhältig auf dem Rückweg in den Dschungel erschießen oder verhaften ließ.

Seit 44 Jahren herrscht in Birma Bürgerkrieg. Eine Clique raffinierter, vor keiner Gewalttätigkeit zurückschreckender Militärs regiert seit 1962 in Rangoon. Zwar hat der greise Diktator Ne Win offiziell die politische Bühne verlassen. Doch er wirkt immer noch als Graue Eminenz hinter der Junta, die sich State Law and Order Restoration Council (SLORC) nennt.

Nach dem Massaker von 1988, als das Militär die Demonstranten zusammenschoß, hat sich die demokratische Opposition zusammengeschlossen. Seitdem ist das Dschungeldorf Manerplaw im thai-birmesischen Grenzgebiet die Hauptstadt des Widerstands. Von hier aus wird das Vorgehen der Opposition koordiniert: nach Ethnien getrennte Guerillatruppen, eine demokratisch gewählte Exilregierung, revolutionäre Mönche und bewaffnete Studentenverbände arbeiten unter einer gemeinsamen Dachorganisation.

Obwohl der demokratischen Opposition bei Wahlen im Mai 1990 ein erdrutschartiger Sieg gelang, obwohl der charismatischen Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi im Dezember 1991 der Friedensnobelpreis verliehen wurde und obwohl die Weltöffentlichkeit – von UNO bis amnesty international – eindringlich auf eine Veränderung der innenpolitischen Verhältnisse drängt, weigerte sich der SLORC stets, seinen Anspruch auf Alleinherrschaft aufzugeben. Über etwas anderes als über militärischen Widerstand zu diskutieren galt bis vor kurzem in Oppositionskreisen als vergeblich, müßig und – zumindest unterschwellig – auch als verräterisch.

Doch seit Mitte letzten Jahres haben die Generäle von Rangoon ein paar raffinierte Schachzüge gemacht: einige hundert politische Gefangene wurden freigelassen; die Führungsspitze der Junta wurde ausgewechselt; eine vom Militär handverlesene Nationalversammlung arbeitet im Schneckentempo eine pseudodemokratische Verfassung aus – und der SLORC bietet den „legalen“ Parteien Einzelverhandlungen über die politische Zukunft Birmas an.

Anzeichen für den langersehnten Gesinnungswandel? Die Crux aller Schritte liegt in ihrer Zweideutigkeit. Denn immer noch gibt es im Land eine unbekannte Zahl politischer Gefangener, darunter die seit fast vier Jahren unter Hausarrest stehende Aung San Suu Kyi. Der SLORC verzichtet nicht darauf, die Verhandlungspartner in spe wieder und wieder als „Terroristen“ zu denunzieren, und so ist das Verwirrspiel perfekt. Betreibt der SLORC unter dem zunehmenden Druck der südostasiatischen Asean-Staaten demokratische Kosmetik, um in Wirklichkeit seine diktatorische Machtposition nur zeitgemäßer zu verschleiern? Oder verspielt das Oppositionsbündnis jetzt eine entscheidende Chance, wenn die verhaltenen Konzessionen des SLORC nicht zumindest als Signale der Bereitwilligkeit zu Friedensverhandlungen anerkannt werden?

Die militärisch bedeutendste Organisation des Widerstands, die Kachin Independent Organization (KIO) des Volkes der Kachin, hat im Februar ohne ein offizielles Mandat des Oppositionsbündnisses geheime Verhandlungen mit dem SLORC über einen Waffenstillstand geführt. KIO-Repräsentantin Seng-Raw erklärt die Beweggründe: „Seit 1948 kämpfen die ethnischen Nationalitäten Birmas mit Waffengewalt für ihre Anerkennung in einer staatlichen Föderation. Bis jetzt sind wir diesem Ziel noch nicht näher gekommen. Genauso vergeblich sind seit dem Aufruhr von 1988 die friedlichen Bemühungen um eine Demokratisierung gewesen, trotz bedeutender internationaler Unterstützung. Der SLORC läßt keine Zweifel daran, daß das Militär auch in einem demokratischen Birma an der politischen Macht teilhaben will. So ist die KIO jetzt zu dem Entschluß gekommen, daß wir den politischen Konflikt nur noch mit politischen Mitteln lösen können – und zwar auf einer Ebene, die der SLORC akzeptiert. Das wäre ein nationaler Waffenstillstand, der natürlich nicht zu alleinigen Gunsten des SLORC ausgehandelt werden darf.“

Über den Vorschlag der KIO für einen nationalen Waffenstillstand wird in diesen Tagen in Manerplaw verhandelt. Die Stimmung ist gespannt, denn schlimmstenfalls könnte über der Frage der weiteren Strategie gegenüber dem SLORC das Koalitionsbündnis zerbrechen. Jetzt müssen die Führer des Widerstands auch beweisen, daß sie das tief verwurzelte Mißtrauen auch gegenüber den Verbündeten anderer ethnischer Herkunft überwunden haben.

Um einen 44jährigen Bürgerkrieg zu beenden, braucht es mehr als einen gemeinsamen Feind. „Teilen und Herrschen“ ist seit der britischen Kolonialzeit das wichtigste Fundament für die Vorherrschaft der Birmanen gegenüber den Ethnien in den Grenzgebieten. Wenn sich die Opposition jetzt von den Versuchen des SLORC, einen Keil zwischen die verschiedenen Ethnien und Gruppen zu treiben, nicht irritieren läßt, dann besteht vielleicht wirklich eine Chance, die verfeindeten Bürgerkriegsparteien bald an einen „runden Tisch“ laden zu können.

Eine Vorbereitung dafür fand im April auf einer Internationalen Birma-Konferenz in Berlin statt. Dort einigten sich Vertreter der wichtigsten Oppositionsgruppen auf eine Resolution, in der dem SLORC zum ersten Mal ohne jede Vorbedingungen der Dialog mit den Widerstandsgruppen vorgeschlagen wird. Sollten die Militärs tatsächlich auf dieses Angebot reagieren, bestehen vor allem die älteren Oppositionsführer mit unüberhörbarer Bitterkeit in der Stimme auf einem „neutralen Verhandlungsort“: „Wir wollen uns kein zweites Mal auf dem Heimweg von Friedensverhandlungen in den Rücken schießen lassen!“