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Mostars Kroaten vertreiben die Muslime

■ UNPROFOR spricht von „ethnischen Säuberungen“ in der Herzegowina / Zagreb spricht von Verteidigung gegen „fanatische Mudschaheddin-Kämpfer“

Mostar/Zagreb/Sarajevo (taz) – Kroatische und muslimische Einheiten haben sich auch gestern wieder heftige Gefechte in der bosnischen Großstadt Mostar geliefert. Nach Angaben der UN-Schutztruppen für das ehemalige Jugoslawien (UNPROFOR) hatten Einheiten der kroatischen Armee in Bosnien (HVO) die Kämpfe durch massive Angriffe auf Stellungen der nominell verbündeten Muslimanen provoziert. In der Stellungnahme wird der Verdacht geäußert, die bosnischen Kroaten wollten aus Mostar, der „Hauptstadt“ ihrer selbsternannten „Republik Herzeg-Bosna“ alle Muslime vertreiben und ähnlich wie die serbischen Aggressoren so „ethnisch reine Gebiete“ schaffen.

Nach der Ansicht des UNPROFOR-Oberbefehlshabers für Bosnien, Lars Eric Wahlgren, besteht – anders als gestern gemeldet – kein Zweifel daran, daß die Kroaten schon am Samstag in Mostar und den umliegenden Dörfern militärische Angriffe auf Stellungen der muslimisch dominierten Armee von Bosnien-Herzegowina einleiteten. Diese hatte sich in der vorigen Woche geweigert, sich freiwillig einem kroatischen Kommando zu unterstellen.

Der selbsternannte „Präsident“ der bosnischen Kroaten, Mate Boban, machte kein Hehl daraus, daß in jenen Regionen Bosniens, die nach dem Vance/Owen-Plan einer kroatischen Provinz zufallen sollen, ausschließlich kroatisches Recht zu gelten habe. Die Möglichkeit der Vereinigung mit dem Mutterland sei jederzeit offen. Standen aber bisher nur Forderungen im Raum, so soll der Anspruch auf die völlige Kontrolle nun offenbar mit Gewalt verwirklicht werden. Schon seit Wochen beklagen sich MuslimInnen bei der UNPROFOR, ihre kroatischen Nachbarn würden sie zum Verlassen ihrer Wohnungen zwingen. In Mostar wurde die muslimische Altstadt von der internationalen Versorgung durch kroatische Truppen abgeschnitten. Neueste Anschuldigungen aus Sarajevo: In der Nacht auf Montag hätten kroatische Einheiten in zwei Orten unweit von Mostar Hunderte Frauen und Kinder als Geiseln genommen und gedroht, sie zu töten, falls die Männer nicht freiwillig ihre Waffen abgeben würden.

UNPROFOR-Kommandant Wahlgren richtete einen eindringlichen Appell an die kroatische Regierung in Zagreb, ihre Landsleute in Mostar zur Vernunft zu bewegen. Die Vertreter der Vereinten Nationen seien „tief besorgt“ über die neuen Vertreibung. Das offizielle Kroatien und die gleichgeschalteten Medien zwischen Zagreb und Split verloren am Montag kein Wort zu den Vorwürfen der UNO. Statt dessen wurden „fanatische Mudschaheddin-Kämpfer“ beschuldigt, dem „kroatischen Volk in Bosnien den Lebensraum zu beschneiden“. Kroatenführer Mate Boban ließ sich in diesem Zusammenhang zu der Äußerung verleiten: „Was sollen wir da anderes tun, als zurückzuschlagen.“ Karl Gersuny

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