: "Der ideale Ort für unsere Karriere"
■ Tips von Prof zu Prof: Viel am eigenen Image, wenig für Studenten arbeiten und sich mit Politikern gut stellen
: Viel am eigenen Image, wenig für Studenten arbeiten und sich mit Politikern gut stellen
Sehr geehrter Freund, mit großer Freude höre ich, daß Sie erwägen, einen Lehrstuhl an der Universität Hamburg zu übernehmen. Ihre Zusage wäre eine ausgezeichnete Entscheidung. Sicher, die Universität ist ins Gerede gekommen und unser Senator nannte uns eine „Jammeruniversität“. Stimmen tut es trotzdem, daß die Universität zu den am schlechtesten finanzierten der Republik zählt, die Relation Professor zu Student extrem ungünstig und der vergreisungshemmende Mittelbau zu klein sind.
Aber das sollte Sie nicht schrecken, denn hier ist der ideale Ort zur Verwirklichung unseres Karrierekonzepts. Hier sind Sie goldrichtig, wenn Sie für Ihr Image, aber niemals für die eigentlichen Aufgaben arbeiten wollen. Hier agiert man bestens mit dem Politiker- Prinzip „Show geht vor Substanz“. Natürlich schaden solche Spielchen der Uni. Werden doch auch die Mittel für die besonders eigennützigen Wissenschaftler aus dem jährlich knapper werdenden Haushalt genommen und der Massenbetrieb dadurch noch unerträglicher.
Selbst wenn Sie in eines der berüchtigten Massenfächer einsteigen, gibt es genug Möglichkeiten, sich vom Streß fernzuhalten. Die klassischen Tricks — exotische Themen, verknappte Sprechstundentermine, ruppiger Umgang mit Studenten — kennen Sie ja. Sollen sich die Studenten doch einen Hochschullehrer mit niedriger Reizschwelle suchen. Schließlich gibt es hier mehr schlecht bezahlte Professoren als an jeder anderen Universität. Sollen doch die den Massenbetrieb und die lästigen Prüfungsbetreuungen übernehmen. Wir werden zu gut bezahlt, um uns damit herumzuschlagen.
Machen Sie sich über die Folgen keine Sorgen. Haben Sie schon einmal erlebt, daß selbst das arroganteste Auftreten zu Konsequenzen führte? Die Studis sind das Abwimmeln gewohnt und die Oberen meinen sowieso, daß es zuviele Studierende gebe. Arbeitslose Akademiker sind bekanntlich eh ein politischer Unruhefaktor und wählen nur die ungeliebten Grünen.
Nun weiß ich ja, lieber Freund, daß Sie sich keineswegs ganz aus der Lehre herausziehen wollen. Ein paar sorgfältig ausgewählte Schüler schmücken das Ego und sollen zudem einmal unsere Ideen verbreiten. Also machen Sie den Studis deutlich, daß nur die Besten Ihrer würdig sind. Kleine Eignungsprüfungen erweisen sich hier als hilfreich. Behaupten Sie, es gehe um Lehrkultur. Kein Mensch wird Ihnen vorwerfen können, daß Sie sich damit den Massenbetrieb vom Hals halten. Sie wollen ja nur das wissenschaftliche Niveau unserer Universität heben.
Die eingesparte Zeit verwenden sie darauf, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren. In der Uni-
1Zeitschrift wird Ihr Name nicht wegen ordentlicher Lehre erwähnt, sehr wohl aber, wenn Sie Forschungsmittel bekommen oder ein Buch herausgeben. Ein Auslandsvortrag wiegt hier mehr als hundert an der eigenen Hochschule. Einige prominente Gäste, eine öffentliche Vorlesungsreihe, das verschafft Anerkennung.
1Natürlich fährt diese Hochschulpolitik auf kurz oder lang gegen die Wand. Hier kommt unsere Chance: Wir waren nachweislich an der Misere nicht beteiligt, haben gemahnt und uns aus der heruntergekommenen Lehre herausgehalten. Man wird uns holen müssen, um die ruinierte Universität wieder zu sanieren. Ich freue mich schon,
1diese Publicity-trächtige Arbeit gemeinsam mit Ihnen unternehmen zu dürfen.
In diesem Sinne erhoffe ich Ihre freundliche Zusage und erwarte eine fruchtbringende Zusammenarbeit. Mit kollegialen Empfehlungen, Hans J. Kleinsteuber
Der Autor ist Professor an der Uni Hamburg
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