Ozonwerte "Körperverletzung"

■ Gift-Spezialist: Wer bei Smog joggt, mutiert zum Biofilter

Ozonwerte „Körperverletzung“

Gift-Spezialist: Wer bei Smog joggt, mutiert zum Biofilter

Der Kieler Wissenschaftler Otmar Wassermann hat die bundesweit gültigen Ozongrenzwerte scharf kritisiert. Sie seien „fast schon Beihilfe zur vorsätzlichen Körperverletzung“, sagte der Leiter des Instituts für Toxikologie der Universität Kiel am Montag abend. Wassermann wandte sich besonders gegen die sogenannte „MAK- Liste“ zur Festlegung der maximalen Arbeitsplatzkonzentration von Schadstoffen mit einer Ozon- Grenze von 200 Mikrogramm pro Kubikmeter. Untersuchungen in der Schweiz hätten ergeben, daß Pflanzen schon bei 60 Mikrogramm Schaden nehmen.

Der Schadstoffexperte riet auch von Freizeitaktivitäten im sogenannten Sommersmog — selbst während der Abendstunden — ab: „Wer glaubt, nach 17 Uhr joggen zu können, spielt einen Biofilter.“ Gegen die Gefahren des Sommersmogs, der mit massiven Ozonbelastungen einhergeht, helfe nur, ihm aus dem Weg zu gehen. „Ozon dringt in die tiefsten Winkel unserer Lunge ein und verursacht dort Schäden, die nicht mehr zu beheben sind“, warnte Wassermann.

Die Feststellung, daß die Ozonbelastung in Städten nachmittags abnimmt, sei trügerisch: „Das Ozon wird nur umgewandelt, die Luft aber nicht sauberer. Es entsteht eine wilde Mischung von Folgeprodukten.“

„Hier wird ein Problem verschwiegen und verdrängt“, meinte Wassermann. So lagen in Göttingen die maximalen Ozonwerte der vergangenen 14 Tage nur einmal unter dem offiziellen „Warnwert“ der Schweiz von dort maximal zulässigen120 Mikrogramm pro Kubikmeter. Die Schweiz ist im Vergleich zur Bundesrepublik strenger mit den Grenzwerten. In Deutschland liegt die Grenze bei 180 Mikrogramm, die Werte kletterten jedoch auch auf über 200. Wassermann: „Bei solchen Meßergebnissen würde ich kleine Kinder nicht mehr ins Freie schicken.“

Wassermann riet Sportlehrern zum Widerstand, falls sie mittags — zu Zeiten höchster Belastung — zu unterrichten hätten. Eltern sollten ihren Kindern schriftlich verbieten, bei derartigen Belastungen am Schulsport im Freien teilzunehmen. Der Wissenschaftler folgt nach eigenen Angaben den Ratschlägen des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI). Der VDI empfehle, sich Konzentrationen von 120 Mikrogramm pro Kubikmeter höchstens eine halbe Stunde auszusetzen. Auch diese „maximale Grenze“ gelte nur für gesunde Erwachsene.

Am frühen Morgen kann man dem Ozon laut Wassermann entgehen. Auch sei die Belastung in geschlossenen Räumen erwiesenermaßen geringer als im Freien. Doch bei allen Vorsichtsmaßnahmen helfe nur, die Ursachen abzustellen, etwa mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung. Autoabgase trügen die Hauptschuld beim Entstehen von Sommersmog. Wassermann plädierte deshalb für einen radikalen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. dpa