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Wenn Polizisten „auf die Pauke hauen“...

■ Polizeiobermeister wegen Singens des „Horst-Wessel-Lieds“ verurteilt / Acht Polizisten beschimpften Italiener vor Lokal

Berlin. Ein Polizist grölt in seiner Freizeit in angetrunkenem Zustand das „Horst-Wessel-Lied“. Acht Polizeibeamte pöbeln bei einer Studienfahrt einen Italiener laut Bericht einer Boulevardzeitung mit Worten wie „Kanake“ und „türkische Sau“ an. Augenzeuginnen bekunden, daß Beamte des Bundesgrenzschutzes (BGS) bei ihrem Einsatz am 1. Mai in Kreuzberg das „Horst-Wessel- Lied“ gesungen haben. Fast könnte man glauben, Szenen wie diese gehören bei der Berliner Polizei mittlerweile zum Alltag – und die Öffentlichkeit bekommt es nur nicht mit. Fakt ist: Berufliche Nachteile bis hin zum Verlust des Jobs haben diese Polizisten nur dann zu befürchten, wenn sie – so wie gestern im Fall eines 26jährigen Polizeiobermeisters auf Probe – von einem Gericht schuldig gesprochen werden. Die nicht zur Anzeige gelangten Pöbeleien der acht jungen Polizeibeamten wurden jedoch unter den Teppich gekehrt, wie erst jetzt herauskam.

Gestern wurde ein 26jähriger Polizeiobermeister vom Amtsgericht wegen Singens des „Horst- Wessel-Lieds“ zu 4.000 Mark Geldstrafe verurteilt. Er hatte das Nazilied (dessen Verbreitung als „Verwendung von verfassungsfeindlichen Symbolen“ unter Strafe gestellt ist) in der Nacht zum 1. August 1992 bei einer Gartenparty in der Britzer Laubenkolonie Alpental mehrfach lautstark gegrölt. So laut, daß ein früherer Ausbilder des Angeklagten und ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in ihren Gärten Zeugen des Vorfalls wurden. Als der Verfassungsschützer forderte, sofort damit aufzuhören, entgegnete ihm der Angeklagte damals: „Ich bin Polizist, ich weiß, was ich tue, das ist bei uns so üblich.“ Das Gericht bewertete diesen Vorgang gestern als strafverschärfend: Schließlich sei es Aufgabe der Polizei, für Demokratie zu sorgen.

Ausdrückliches Lob wurde dem Verfassungsschützer in der Urteilsbegründung zuteil: Mit seiner Anzeige habe er Zivilcourage bewiesen. Ein anderer Zeuge soll vom Angeklagten mit den Worten eingeschüchtert worden sein: Eine Anzeige habe kaum Erfolg, weil bei der Polizei „alle Kumpel“ seien. Der 53jährige Ausbilder des Angeklagten hatte als Zeuge berichtet, das „Horst-Wessel-Lied“ werde jungen Polizisten in der Ausbildung in Filmen über den Faschismus vorgespielt. Er könne „nicht bestreiten“, daß das Lied auf Kameradschaftsabenden gelegentlich gesungen werde, während der Dienstzeit sei dies jedoch nicht allgemein üblich. Der Polizeiobermeister, ein Beamter auf Probe, der seit vergangenem September suspendiert ist, werde vermutlich ein Verbot der Dienstausübung erhalten, sagte der Leiter der zuständigen Polizeidirektion 5, Heinz Krähn, zur taz.

Wie erst gestern durch einen Bericht der Bild bekannt wurde, haben acht Berliner Polizeibeamte bei einer Studienfahrt vor einer Gaststätte in Dachau randaliert und einen dort als Türsteher arbeitenden Italiener als „Kanake“ und „türkische Sau“ beschimpft. Auch Gäste aus dem Lokal hätten die Beleidigungen gehört. Das bayerische Innenministerium habe den Vorgang damals Innensenator Heckelmann mitgeteilt, die von diesem eingeleitete Untersuchung „ergab – nichts ...“. Der gestern von der taz auf den Fall angesprochene Referatsleiter für Dienst- und Laufbahnrecht in der Innenverwaltung, Werner Hübner, sagte dazu: „Es hat ein paar böse Worte gegeben, wobei nicht zu klären war, was für welche.“ Der Vorgang sei nach einer an das bayerische Innenministerium gerichteten „formvollendeten Entschuldigung“ ad acta gelegt worden. Daß rassistische Worte gefallen seien, könne er nicht ausschließen, sagte Hübner, aber insgesamt sei an der Sache „absolut nix dran“. Außer daß „ein paar Beamte zwischen 18 und 22 Jahren außerhalb ihrer Dienstzeit in jener Nacht eben angetrunken auf die Pauke gehauen haben“. Plutonia Plarre

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