: Unterm Strich
Wer Bücher kauft (und dann auch noch liest!) hat eben keine Zeit mehr fürs Kino: Die größten Einbußen verzeichnen in Ostdeutschland die ehemals staatlichen Kinos. 46 Prozent aller DDR-Lichtspielhäuser haben im letzten Jahr dichtgemacht, mit 71 Prozent sind die Verluste in Thüringen am höchsten. Eine „Kinolandschaft“ in den kleinen Gemeinden und Orten wird es wohl bald nicht mehr geben, trotzdem freuten sich 34 Prozent der Ostdeutschen 1992 über ein besseres Kinoangebot als noch ein Jahr zuvor. Hollywood hat in Zwickau Einzug gehalten.
Und kaum ist etwas statistisch erhoben, da wird es auch schon zur traurigen Wahrheit: Der befürchtete drastische Personalabbau im Stendaler Theater der Altmark ist für die Schauspieler jetzt bittere Gewißheit. Mehr als die Hälfte der 225 Mitarbeiter des einzigen Theaters im nördlichen Sachsen-Anhalt werden einem Beschluß der Stendaler Stadtverordneten zufolge bis zur nächsten Spielzeit 1994/95 entlassen. Das Musiktheater, das in Stendal eine über 100jährige Tradition hat, wird ebenso geschlossen wie das Tanztheater. Übrig bleibt dann ein reines Schauspieltheater mit 100 Mitarbeitern. Die Stadtoberen hatten dem Theater einen Finanzrahmen von 8,5 Millionen Mark jährlich gesteckt, doch von den verschiedenen Sparkonzepten, die Intendant Erdmut C. August vorlegte, hätte selbst das billigste mit 140 Mitarbeitern noch 10,3 Millionen Mark gekostet.
Auch wenn sie in der Provinz immer noch etwas schneller veröden, auch in der Theater-Hauptstadt Berlin werden die Bühnen langsam zur bedrohten Art. Besonders das „Metropol“, zu seinem Schaden seit Jahren auf einem sogenannten Filet-Grundstück gelegen, kämpft seit längerer Zeit gegen die Verschacherungspläne des bettelarmen Senats. Mit einer Schubkarre gebündelter Unterschriften (etwa 100.000) für den Erhalt der Operetten-Bühne wollte man die Stadtoberen am Montag beeindrucken: In einem Offenen Brief an die Ausschußmitglieder hatten der Personalrat und der Vorstand des Metropol-Orchesters in der vergangenen Woche darauf aufmerksam gemacht, daß die bisher bekannt gewordenen Privatisierungskonzepte das „genrespezifische Profil der Operetten- und Musical-Bühne“ gefährden. Befürchtet wird im Falle einer Privatisierung des Hauses besonders die Umwandlung in einen En-suite-Betrieb beziehungsweise ein Gastspieltheater – und natürlich der drohende Personalabbau. Aber wie es so seine Art ist, wußte Kultursenator Ulrich Roloff-Momin (parteilos) in der Ausschußsitzung die Gemüter zu beruhigen: Die Privatisierung des Metropols werde nicht als „Grundstücksgeschäft“ behandelt, betonte er, es bestünden durchaus Überlegungen, wonach das Grundstück in der Hand Berlins verbleibe. Ob es sich der Senat denn wirklich leisten kann, so ein Geschäft auszuschlagen, sagte er allerdings nicht.
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