Überall Tupperwareboxen

Die Duffy-Krimis von Dan Kavanagh liegen endlich komplett vor  ■ Von Ralf Koss

Nicht jeder weiß, warum der Londoner Flughafen Heathrow den Spitznamen „Thiefthrow“ trägt. Auch Duffy vom „Duffy Security“, dem Einmannunternehmen in Dan Kavanaghs Kriminalromanen, muß vom Inhaber einer Speditions- und Lagerfirma am Flughafen aufgeklärt werden. „Jeder, der in der Gegend seine Frau dabei ertappt, wie sie versucht, ein Pfund Äpfel oder dergleichen zu kaufen, der steckt sie stracks in die Klapsmühle.“ Man sieht, der Diebstahl von Transportgut ist in Heathrow geduldeter und im Warenendpreis einkalkulierter Schwund. Es sei denn, er nimmt ungewöhnliche Ausmaße an. So erhält Duffy seinen neuen Auftrag. Er stößt bei dem Undercover-Lagerarbeiter- Job zwar nicht auf die Diebe, aber Drogenschmuggler zu enttarnen ist ja auch ein Erfolg.

Mit „Schieber-City“ ist nun der letzte der vier Krimis von Dan Kavanagh wieder erhältlich. Vorbei die Zeiten, in denen die Ullstein- Ausgaben der achtziger Jahre rare Kostbarkeiten im sonstigen Krimi- Antiquariatsmüll waren. Und vergessen auch die unsäglich dumme Indizierung des Erstlings „Duffy“ durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften 1982.

Im Haffmans Verlag ließ man „Duffy“ und „Schieber-City“ neu übersetzen. „Abblocken“ wurde gründlich durchgesehen und „Vor die Hunde gehen“ erschien 1989 direkt bei Haffmans. Die Werkpflege hat Methode; der Grund ist Julian Barnes. Denn – wie auf dem Waschzettel zu lesen ist – hat Dan Kavanagh „Gerüchten zufolge in seiner Freizeit eine Monographie über die Relevanz von Papageien im Werk von Gustav Flaubert“ und noch einiges andere mehr verfaßt und „unter einem seriös klingenden Pseudonym publiziert“.

Man tat gut daran, auch die Rechte an Julian Barnes Werk unter seinem Pseudonym Dan Kavanagh zu kaufen. Denn Julian Barnes hat den Krimi als Genre ernst genommen – exzellente Literatur war das Ergebnis. Vor allem die ersten drei Romane Dan Kavanaghs – bleiben wir beim Pseudonym – haben nichts von der beschaulich- spleenigen Atmosphäre klassischer englischer Krimiliteratur. Er erzählt bösartig-witzig von Welten, in denen zwar kaum Morde geschehen, in denen aber Gewalt, manchmal subtil angedroht, manchmal brutal ausgeführt, die Dinge am Laufen hält. In der Erzählweise nähert sich Dan Kavanagh dieser Gewalt meist mit Understatement und zuweilen mit Ironie. Damit verleiht er ihr eine bedrohliche Selbstverständlichkeit. Da mündet eine erotische Szene in „das erschreckendste Ding“, das Duffy je in seinem Leben gesehen hat. „Um den Ansatz seines Pimmels und seiner Eier war ein dünner Kupferdraht geschlungen. Der Draht war da gekreuzt, wo sein Pimmel aus dem Bauch kam. An jedem Ende des Drahtes befand sich ein Holzgriff.“ Da wird ein zunächst witziger Dialog über Schmuggel am Flughafen zum bitteren Statement eines Zollbeamten, denn manche Drogenkuriere benutzen die Leichen von ermordeten Babies. Oder es wird – wie in „Abblocken“ – einem Fußballspieler das Fußgelenk zerschmettert, um dessen Verein im Kampf gegen den Abstieg zu schwächen, – nichts Persönliches, wie die Schläger versichern.

Dan Kavanagh kümmert sich um Milieuschilderung und ungewöhnliche Figuren gleichermaßen. Allen voran natürlich Duffy. Er lebt mit Carol, einer Polizistin und ehemaligen Kollegin, zusammen, was ihn jedoch nicht von gelegentlichen Eskapaden mit dem eigenen Geschlecht abhält. Mit Carol klappt es allerdings im Bett überhaupt nicht mehr seit jenem Vorfall, der zum Ende seiner Karriere bei der Polizei führte. Da hatte man ihm einen minderjährigen Strichjungen untergeschoben. In „Duffy“ lese man die Hintergründe selbst nach. Der Held hat eine Uhrenphobie und deshalb im Badezimmer eine Tupperwarebox, in die jeder nächtliche Gast seine Armbanduhr ablegen muß. Und auch im Kühlschrank: „Keine Eßwaren, bloß Plastik: Tupperwareboxen, Plastikbeutel, manchmal Tupperwareboxen im Plastikbeutel, manchmal auch Plastikbeutel in Tupperwareboxen.“ Denn Duffy legt gesteigerten Wert auf Reinlichkeit. „Wäre dies möglich gewesen, so hätte er das Geschirr schon vor dem Essen gespült.“ Anzumerken ist zudem ein hypochondrischer Zug, seine Abneigung gegen das Ausland (nicht die Ausländer) und seine Liebe zum Fußball.

Neben Freundin Carol gehört auch Geoff Ball zum ständigen Personal. Er ist der Techniker und Abhörspezialist, den Duffy manchmal zu Rate zieht. Bei den Reliables, Duffys Hobby-Fußballteam, darf er nur mitspielen, weil es ihm immer gelingt, in der Mannschaftskabine des Gegners eine Wanze zu plazieren. So können deren taktische Maßnahmen effizient im Vorfeld zunichte gemacht werden. Dan Kavanaghs Sinn für witzige und zugespitze Dialoge läßt auch die Nebenfiguren plastisch werden. Ganz nebenbei vermittelt er so die nötigen Fakten. Da wird nicht aus dem Karteikasten geplaudert, und dennoch weiß man nach einem Dialog zwischen Duffy und einer anderen Figur alles über den Schmuggel in Heathrow.

Die Plots in Dan Kavanaghs Krimis basieren auf genauer Recherche. Wer das Soho Anfang der Achtziger kennenlernen will, ist mit „Duffy“ bestens bedient. „Vor die Hunde gehen“ führt hingegen ins englische Landleben ein, wo nichts mehr so ist, wie es einmal war, seit sich die Upperclass dort festgesetzt hat. In „Vor die Hunde gehen“, dem letzten Krimi, den Barnes/Kavanagh vorgelegt hat, nähert er sich dem klassischen Genremuster der geschlossenen Mordgesellschaft auf dem Lande. Gleichzeitig erhalten literarische Bezüge und ironisches Spiel mit den Erwartungen des Lesers mehr Gewicht. Die Geschichte rückt gegenüber den Formspielen weiter zurück als in den vorherigen Duffy-Krimis. Mit der Erzählhaltung von „Vor die Hunde gehen“ läßt sich nur ein sehr beschränkter Ausschnitt der Wirklichkeit in Literatur verwandeln. Dan Kavanaghs andere Krimis weisen die Richtung, in der er bei seinem Anspruch weiterschreiben müßte. Bislang hat Julian Barnes keinen fünften Duffy-Roman angekündigt. Möglich sei eine Fortsetzung schon, meinte er kürzlich bei einer Lesung. Duffy mit seinem Pragmatismus, was Versprechungen angeht, würde dazu wahrscheinlich nur sagen: „Oder auch nicht.“

Dan Kavanagh: „Schieber-City“. Aus dem Englischen von Michel Bodmer (1993), 214 Seiten, 24,50 DM

„Abblocken“. Aus dem Englischen von Verena Schröder (1992), 234 Seiten, 14 DM

„Vor die Hunde gehen“. Aus dem Englischen von Willi Winkler (1989), 269 Seiten, 12 DM

„Duffy“. Aus dem Englischen von Willi Winkler (1988), 238 Seiten, 10 DM

Alle Krimis von Dan Kavanagh sind im Haffmanns Verlag, Zürich, erschienen.