: Warum Hellmuth Karasek nicht mehr in der Nase bohren kann
■ oder: Wie der Schirmherr beim Kommerz-TV fensterln geht
Hellmuth Karasek hatte keine Chance, also nutzte er sie. „Hätte ich abgelehnt, dann hätte der Spiegel, mein Arbeitgeber, mit recht gesagt, in Ordnung, aber dann wollen wir auch nicht, daß du öffentlich-rechtlich auftrittst.“ Und das „Literarische Quartett“ aufgeben? Das den vom regionalen Theaterkritikus in die hehre Top ten der Kultur-Olympier Aufgestiegenen zu guter Letzt auch noch in den Rang eines veritablen Popstars für (angehende) Pensionäre erhoben hatte? Nein.
Also talkt er auch noch regelmäßig jeden Sonntag um High- noon im Auftrag seines regelmäßigen Monetenüberweisers auf Vox, dem selbsternannten Bewahrer der Fernsehkultur und somit unter (weitgehendem) Ausschluß der Öffentlichkeit. „Spiegel-Thema“ nennt sich die Sendung, in welcher der in Hamburg residierende Kosmopolit informative Unterhaltung auf hohem Niveau zelebrieren soll. So jedenfalls stellt sich das der Sender Vox vor, der sich am Wochenende einen „Kiosk“ geheißenen und von Alexander Kluges Produktionsgesellschaft DCTP zugelieferten Programmteil mit einem knappen Dutzend Magazinen leistet. An DCTP hat auch der Spiegel seine Anteile und somit eben auch sein Fensterl.
Für Hellmuth Karasek, 59, bedeutete die Sendung Neuland. Der offiziell als „Autor“ angestellte bisherige Lohnschreiber verbringt nun einen großen Teil seiner Zeit in Vorbereitung auf die dreiviertelstündige Sendung, die er am Ende jeder Woche in einem winzig kleinen Hamburger Studio produziert. Dabei begnügt sich Reich-Ranickis Adlatus keineswegs damit, kulturelle Themen abzufeiern. Ganz zu Beginn des Sonntagmorgen- Vergnügens hatte er gleich und programmatisch den Außenminister Klaus Kinkel gebeten – und mit dem beileibe nicht über Bücher geredet.
Ist Karasek omnikompetent? Das nicht, aber man könne, behauptet er, sich Themen und Sachgebiete durchaus in ein paar Tagen aneignen. Das läuft jeweils so, daß der Parleur von seinem Magazin einen Experten zur Seite gestellt bekommt. In Kinkels Fall also einen Spiegel-Redakteur aus dem Ressort Außenpolitik, der mit ihm die Materie paukte. „Nach ein paar Tagen“, sagt Karasek, „bin ich durchaus in der Lage, zu einem Thema einigermaßen intelligente Fragen zu formulieren.“
Daß der selbstbewußten Plaudertasche Karasek der durch den Medienwechsel eingetretene republikweite Wiedererkennungswert seines Gesichts unangenehm ist, braucht keiner zu befürchten. Allerdings hat auch er mitgekriegt: „Man kann nicht mehr in der Nase bohren, weil sonst jemand kommt und sagt: Der da in der Nase bohrt, den hab' ich unlängst im Fernsehen gesehen.“
Querbeet auf allen Kanälen wird man ihn jedoch nicht mehr sehen: Hellmuth Karasek mußte, und er läßt offen, ob er das nun bedauert oder nicht, dem Spiegel versprechen, mit Ausnahme des „Literarischen Quartetts“ nur noch in seiner eigenen Show im Kommerz- Fernsehen aufzutreten. Peter Unfried
„Literarisches Quartett“, heute, 22.15 Uhr, ZDF; nächstes „Spiegel-Thema“ heißt „SPD: Enkelinnen an die Macht“, Sonntag, 12 Uhr, Vox
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen