: After-Eight- Zartgefühl
Henry James war Romancier und Novellist von außerordentlichem Zartgefühl, als Amerikaner in England ein Wanderer zwischen den Welten, aufmerksam für Stil- und Mentalitätsfragen – heute würde man also sagen (in der U-Bahn oder im Museum), „der hatte diesen ethnologischen Blick (drauf)“.
In der jetzt in deutscher Erstübersetzung erschienen Erzählung „Eine transatlantische Episode“ finden sich alle Elemente, die James-LeserInnen lieben: junge Männer und Frauen in rätselhaft- poetischer Verschränkung, England und Amerika im Kulturvergleich, Erwägungen über gesellschaftliche Gepflogenheiten und soziale Intelligenz. Eine matte Ironie gibt all dem die James-eigene Politur, und so stünde alles zum Besten – wenn nicht trotz allem die Psychologie zu kurz gekommen wäre. Die zarte, aber unnachgiebige Konzentration auf ein Individuum und sein an Träumen reiches Innenleben, die der vor zwei Jahren erschienenen Erzählung „Im Käfig“ ihre schöne Notwendigkeit verliehen hat, wird hier zugunsten einer Gruppenbeschreibung (zwei Gentlemen, zwei Ladies) aufgegeben, und was an Handlung und Dialogen „hinzukommt“, kann nicht über den Verlust der Empfindsamkeit entschädigen.
Eine eigentümliche Teilnahmslosigkeit liegt über dem ganzen und wird zum (überraschenden) Schluß hin bestätigt: Derselbe ist so wenig grundiert, auf so alberne Weise überraschend, daß die Düpierung derjenigen vergleichbar ist, welche die routinierte Krimileserin befällt, die auf der letzten Seite mit einem bisher weltweit unbekannten Gift konfrontiert wird, das chemisch nicht nachweisbar ist und so die Ermittlungen in die Irre führte... „Und dafür der ganze Aufwand!“, stöhnt sie dann, und sie hat Recht damit. We were not really amused.
Henry James: „Eine transatlantische Episode“. Sehr elegant aus dem Englischen übersetzt von Elke Link und Sabine Roth. Ars vivendi Verlag, 105 Seiten, gebunden, 28 DM
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