Unterm Strich

Ernst Jünger, 98 Jahre alt, hat in den letzten zwei Jahrzehnten schon so manchen Nekrolog-Autor zur Verzweiflung gebracht. Nun verriet er den Kollegen von le nouvel Observateur den Grund seiner Zähigkeit – ein Tagesbeginn, der verweichlichte Kreaturen wie unsereins schlottern läßt. Er nehme sofort nach dem Aufstehen um neun Uhr ein Bad in untemperiertem Wasser, was in Wilflingen nicht mehr als vier Grad bedeute. Der Rest des Tages vergeht weniger furchteinflößend unter wenigen Stunden des Schreibens, langen Spaziergängen in den Stauffenbergschen Wäldern und einigen Stunden Lektüre vor dem Einschlafen: „Ich schlafe um Mitternacht ein und erwache am Morgen, ganz melancholisch und traurig.“

Gabriel García Marquez, Autor von „Hundert Jahre Einsamkeit“ konnte den Verkauf seiner Bücher durch eine spektakuläre Aktion fördern. Er weigert sich nämlich schlichtweg, seine Werke weiterhin in seiner Heimat Kolumbien verlegen zu lassen. Der Grund für diese Verweigerung ist der schwunghafte Handel mit Raubdrucken seiner Romane, der letzthin sogar rechtlich legitimiert wurde, als die Staatsanwaltschaft 800.000 beschlagnahmte Exemplare freigab. Marquez konnte durch die Ankündigung seiner künftigen Abstinenz den Umsatz seiner Produkte in wenigen Tagen um 50 bis 70 Prozent steigern.

Auch mit dem internationalen Kunsthandel geht es unaufhörlich aufwärts, wie die neuesten Rekordzahlen von der Auktionsfront zeigen: Für Cézannes „Stilleben mit Äpfeln“ wurde im New Yorker Auktionshaus Sotherby's der neue Spitzenpreis von 28,6 Millionen Dollar erzielt.

Den Hugo-Ball-Preis der Stadt Pirmasens erhält in diesem Jahr ein Schriftsteller, dem wir jeden Preis gönnen, schon allein, damit er sich weiterhin die vielen Reisen leisten kann, die seiner Literatur die unvergleichlich kosmopolitische Verve geben: Cees Nooteboom. Die Auszeichnung ist mit 20.000 Mark dotiert, was ja immerhin ein paar Spesen decken sollte. Es mag ja stimmen, daß Nooteboom sich „als Lyriker in die große Tradition der poetischen Moderne eingeschrieben“ hat, wie es in der Begründung des Preisgerichts hieß. Ob er sich dabei freilich poetisch in der Nähe von Hugo Ball angesiedelt hat, ist ziemlich fraglich. Aber was soll's, wo doch Nooteboom für eine Sache ganz sicher steht, die Ball, der Dadaist der ersten Stunde, stets einforderte: die „freie Internationale der Weltintelligenz“.

Anschluß an den Dadaismus findet hingegen ganz unfreiwillig Wim Wenders mit dem Titel seines neuesten Films, der in Cannes vorgestellt wird: „In weiter Ferne so nah“. Hätte der Meister auch nur eine Spur von Humor, hätte der Film – in dem sich Heinz Rühmann, Hildegard Knef und Michail Gorbatschow begegnen – ein schönes Stück Dada-Kabarett werden können. Aber da war wohl nichts zu hoffen.