: Gedenkstätte bleibt geschlossen
■ Kulturbehörde befürchtet andauernde Besetzung durch Roma und Cinti / "Sensible" Polizisten
/ »Sensible« Polizisten?
Die Kulturbehörde bleibt dabei: Wenn sich am Sonntag mittag zahlreiche Roma und Cinti — die sich aufgrund ihrer Verfolgung illegal in Deutschland aufhalten — in der KZ-Gedenkstätte Neuengammme versammeln wollen, wird ihnen die Polizei den Zutritt zum ehemaligen Konzentrationslager verwehren. Der dort ursprünglich geplante Gottesdienst ist mittlerweile in die Kirchengemeinde St. Johannis in Neuengammme verlegt worden. Kulturbehördensprecher Hinrich Schmidt-Henkel: „Der Gottesdienst mußte verlegt werden, da von der Roma- und Cinti-Union für Sonntag eine auf Dauer angelegte Besetzung des Geländes geplant wurde.“
Der Beschluß der Kulturbehörde, den Roma den Zutritt zur „einstigen Mordstätte von Juden und Roma“ zu verwehren, hat scharfe Proteste ausgelöst. Michel Lang vom Forum Jüdisches Leben: „Der Senat begnügt sich nicht damit, die Roma willkürlich zu verfolgen und auszuweisen, nein, der Hamburger Senat treibt die Perversion soweit, den Nachkommen der ermordeten Roma und Cinti die Gedenkstätte zu verweigern, sich das Lager Neuengamme anzueignen und es für seine brutale und rassistische romafeindliche Politik zu instrumentalisieren.“
Auch die Mitarbeiter der Gedenkstätte haben — wie berichtet — scharf gegen die von ihrer vorgesetzten Kulturbehörde angeordnete „polizeiliche Absperrung“ protestiert, weil die Aufgabe der Gedenkstätte, nämlich „an die Verbrechen des Nationalsozialismus zu erinnern“, nicht mehr wahrgenommen werden könne.
Hintergrund der Behördenhaltung: In der Kulturbehörde herrscht offensichtlich Angst, daß die von Ausweisung und Abschiebung bedrohten Roma sich in der historischen Gedenkstätte festsetzen könnten. 1989 hatten Roma und Cinti schon einmal im Klinkerwerk der KZ-Gedenkstättte Zuflucht gefunden, mehrere Tage lang in einem Camp gelebt und für ein Bleiberecht demonstriert. Als die Polizei das Klinkerwerk räumen wollte, hatten sich die Roma verbarrikadiert und einige mit Selbstverbrennung gedroht. Nach der polizeilichen Räumung waren die Roma in einem langen Treck zum Rathaus gezogen, fanden erst in der späten Nacht für die nächsten zwei Wochen Asyl in der Friedenskirche. Die Roma-Demos sorgten bundesweit für Aufsehen.
Polizeichef Heinz Krappen hat unterdessen an die am Sonntag bei der Roma-Aktion „Fluchtburg Konzentrationslager“ eingesetzten BeamtInnen appelliert, trotz Vorurteilen und „negativer Einzelerfahrungen“ mit Roma Zurückhaltung zu bewahren. In einer internen Information der Polizei schreibt er: „Vor dem historischen Hintergrund bleibt auch jeder rechtlich legitimierte Einsatz im demokratischen Deutschland mit enormen emotionalen Hypotheken belastet. Daher ist für jeden Beamten besondere Sensibilität erforderlich, um Konfliktrisiken soweit wie möglich abzubauen.“ Kai von Appen
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