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Wir wollen nicht zum Ghetto werden

■ Bundeszuschüsse für Westdeutschland gestrichen: "Nachbesserung" in Tenever gefährdet

Wir wollen nicht zum Ghetto werden

Bundeszuschüsse für Westdeutschland gestrichen: „Nachbesserung“ in Tenever gefährdet

Die meisten kennen die Hochaussiedlung Tenever nur von der Autobahn aus — unvorstellbar für sie, dort zu wohnen. 8.000 Menschen jedoch tun es, in Hochhaustürmen mit bis zu 22 Stockwerken.

„Ich wohne gern hier“, sagt Monika Port. Daß sie gern in Tenever wohnt, liegt nicht zuletzt daran, daß sich dort seit zwei Jahren etwas tut: Dunkle und zugige Hochhauseingänge werden umgebaut, neue Verbindungswege führen in angrenzende Gebiete, es gibt mehr Bänke, ein Horthaus, ein Arbeitslosencafe, einen Bewohnertreff, und über Bewohnerinformationssäulen kann man nach dem enflogenen Wellensittich suchen — um nur ein paar der Veränderungen zu nennen.

„Nachbesserung“ heißt das Zauberwort. 7,2 Millionen, so hieß es 1989, wollen Bund und Land zur Verbesserung der Lebenssituation im „Demonstrativbauvorhaben Osterholz-Tenever“ beisteuern. Etwa 4 Millionen Mark sind bislang verbraucht oder fest verplant. Um den Rest muß nun gebangt werden. Denn die Bundesregierung hat für dieses Jahr die Bundesbauförderungsmittel ersatzlos gestrichen — wegen der neuen kostspieligen Aufgaben in Ostdeutschland. Ob das Land Bremen seinen Komplemetär-Anteil trotzdem zahlt, ist noch völlig offen.

Das wollen sich die Tenevera

hier das foto

von den

Hochhäusern

nerInnen nicht gefallen lassen: Jüngst fuhren sie nach Bonn und rückten der Bauministerin auf die Bude. Im Herbst, so versprach der zuständigen Staatssekretär schließlich, werde er mal nach Tenever kommen.

Tenever soll nicht wieder zum Ghetto werden, sagen die BewohnerInnen. Gerade mal haben sie Vertrauen in die Nachbesserungs- Aktion gefaßt: Vertrauen darin, daß ihre Wünsche gehört werden, darin, daß selbst die längsten Verwaltungswege ein Ende haben und daß irgendwann auch ihr Hochhaus einen neuen Eingang bekommt.

Besonders wichtig für die BewohnerInnen: Bei den Abstimmungen mit Eigentümern und Verwaltung haben die MieterInnen Vetorecht. Nach all den Debatten freuen sie sich jetzt zum Beispiel auf das „Grabeland“, kleine Äcker für die BewohnerInnen also (ein Herzenswunsch besonders der türkischen Familien) und auf Werkstatt und Mädchencafe im Jugendfreizeitheim sowie attraktivere Spielplätze — schließlich sind ein Viertel der TeneveranerInnen jünger als 16 Jahre. „Nachbesserung“ macht das Leben der Schlafstadt ein bißchen urbaner.

7,2 Millionen Mark für ein ganzes Viertel ist eigentlich lächerlich wenig Geld, findet Joachim Barloschky vom Amt für Soziale Dienste, der zusammen mit einem Architekten und einer Planerin die „Nachbesserung“ organisiert. Wenig Geld, fügt er hinzu, mit dem aber einiges bewirkt wird: Durch die Anschubfinanzierung werden die Eigentümer der Häuser (Gewoba, Versicherungen usw) gelockt, selbst auch zu investieren, zum Beispiel die undichten Fenster zu ersetzen.

Bei der Nachbesserung geht es nicht nur um Hauseinänge und Spazierwege: Im Mütterzentrum beispielsweise sollen in Nähwerkstatt und Secondhand-Laden Ausbildungsplätze eingerichtet werden. Vor allem soll die Kommunikation untereinander verbessert werden. Schließlich läßt sich in einem Haus mit über 100 Mietparteien eine Hausgemeinschaft nur schwer herstellen. Man trifft sich doch nur im Aufzug.

Wie trefflich dagegen läßt es sich doch auf der Mieterversammlung darüber streiten, ob ins Hochhaus-Erdgeschoß ein Kinderspielraum oder eine Radwerkstatt kommt und ob die Eingangskacheln mehr ins Rötliche oder mehr ins Silbergraue tendieren sollen. Einig ist man sich eigentlich nur darin, daß das Einkaufszentrum eigentlich eher ein Einkaufseck ist — so ohne einen Schlachter. Christine Holch

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