Afrika sucht nach eigenen Wegen aus der Krise

■ Die Weltbank-inspirierten Strukturanpassungsprogramme sind gescheitert. Bringt jetzt die Demokratisierung neue Konzepte zur wirtschaftlichen Genesung?

Harare (taz) – Afrikas Regierungen stehen mit dem Rücken zur Wand. Der IWF und die Weltbank machen ihre Hilfe von der Erfüllung wirtschaftspolitischer Bedingungen abhängig, EG und USA machen immer häufiger die Einhaltung demokratischer Normen und Menschenrechte zur Bedingung für neue Gelder. Aber kann man Wirtschaftsorthodoxie einhalten und gleichzeitig demokratische Normen und Menschenrechte respektieren?

Kritik an den widrigen Auswirkungen der Weltbank-inspirierten Strukturanpassungsprogramme in Afrika ist in den letzten Jahren zum Gemeinplatz geworden. Nicht nur werden die Ärmsten der Armen am härtesten getroffen, sondern auch das erklärte Ziel einer Sanierung der Wirtschaft wird verfehlt. Außerdem sind für die Ausführung der Programme oftmals Regierungen verantwortlich, denen jede demokratische Legitimation fehlt.

Bei einer gesamtafrikanischen Auslandsschuld von 230 Milliarden Dollar kommen die afrikanischen Staaten um eine Reform ihrer Wirtschaftssysteme nicht herum. Da reicht es nicht, einfach das Scheitern der Strukturanpassung zu konstatieren – es müssen Alternativen gesucht werden. Und damit erfährt auch die in vielen Ländern eingetretene formale Demokratisierung eine reale Umsetzung. „Mit dem Fortschritt der Demokratisierung in Afrika besteht eine einmalige Chance, ernsthafte Debatten über die Wirtschaftspolitik zu führen“, konstatierte Enzo Friso, Generalsekretär des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften (IBFG), auf einem Kongreß afrikanischer Gewerkschaften aus 28 Staaten in Simbabwes Hauptstadt Harare im April. „Diese Chance darf nicht vertan werden. Sonst verlieren die Bevölkerungen das Vertrauen in das demokratische System.“

Die „Alten“ blieben von Entlassungen verschont

Die Bevölkerungen akzeptieren Einsparungen am ehesten, wenn auch die Regierungen den Gürtel enger schnallen. Das aber ist in vielen afrikanischen Ländern, auch demokratischen, nicht der Fall. Leopold Dossou, Generalsekretär der Autonomen Gewerkschaftszentrale von Benin, empört sich, daß die seit 1991 amtierende demokratische Regierung seines Landes die ohnehin seit 1986 eingefrorenen Beamtengehälter um zehn Prozent gekürzt hat, diejenigen der Parlamentarier und Minister jedoch erhöht. In Simbabwe will die Regierung Subventionen abbauen und gibt die Brotpreise frei, welche sich daraufhin verdoppeln, beschließt aber gleichzeitig kräftige Zuschüsse an die Regierungspartei.

Man könne die Staatsausgaben auch ohne Massenentlassungen verringern, meint Ibrahim Mayaki, Generalsekretär des Arbeitergewerkschaftsbundes von Niger. Wenn man die „alte Garde“ entließe, die viele Gelder beiseite geschafft habe, hätte man die Lohnkosten schon gesenkt. Aber Entlassungen träfen in Niger vor allem die Jüngsten, während die Älteren, die größere private Ersparnisse zusammengescheffelt hätten und über genügend Kontakte für eine zweiten Karriere im Privatsektor vefügten, ungeschoren davonkämen. Strukturanpassung ist auch ein Generationskonflikt.

Der kamerunische Gewerkschaftsführer Louis Sombes weist auf die wundersame Vermehrung von Ministerien in seinem Land hin, die den Staatshaushalt strapaziere, während das unter Druck der demokratischen Opposition stehende Regime von Paul Biya gleichzeitig in großem Maße Aufstandsbekämpfungsmaterialen importiere. Auch in Niger, wo die Spannungen zwischen Armee und Guerilleros des Tuareg-Volkes weiterhin hoch sind, hätte man nach Meinung von Mayaki Militärausgaben einsparen können. Statt dessen habe man zugelassen, daß die Militärhierarchie die für den Kauf von Kriegsmaterial bestimmten Gelder in die eigene Tasche wirtschaftet.

„Rekolonisierung“ durch rückwandernde Experten

Strukturanpassung ist nicht nur ein abstraktes Programm. Sie wird von Personen durchgesetzt. Und in systematischer Weise werden im Ausland tätige Afrikaner an die Spitze afrikanischer Staatsunternehmer gesetzt, um diese gemäß den Vorstellungen der Weltbank zu reorganisieren.

Viele der zurückgewanderten Funktionäre, z.B. an der Spitze der Fluggesellschaft Cameroon Airlines, sind pensionierte Bürokraten, die den jüngeren, hochausgebildeten einheimischen Managern Arbeitsplätze wegnehmen, kritisiert Sombes. Diese beklagen sich dann über „Rekolonisierung“.

Der Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), Michel Camdessus, ist sich der Gefahr einer Verhärtung afrikanischer Positionen bewußt. Als Ausweg sieht er den Dialog zwischen „Sozialpartnern“ in den einzelnen Ländern. Seine in letzter Zeit häufige Verkündung dieses Prinzips, das dem der Demokratisierung entspricht, ist in Afrika mit Befriedigung registriert worden – nicht aber die Umsetzung davon.

Die Regierung Benins, das als Modell der Demokratisierung gilt, hat die Gewerkschaften zwar über die Ausgestaltung des neuesten Strukturanpassungsprogrammes konsultiert – aber erst nachdem alle Entscheidungen bereits getroffen worden waren. Beim letzten Aufenthalt einer IWF- und Weltbankmission in Benin wurden die vereinbarten Gesprächstermine mit den Gewerkschaften nicht eingehalten. Nun fordern die Gewerkschaften eine neue Nationalkonferenz. Diskutiert werden soll nicht mehr, wie 1990, die Reform des politischen Systems, sondern die Demokratisierung der Wirtschaftspolitik.

Ähnliche Probleme hat auch der Gewerkschaftskongreß von Simbabwe, der fehlende „Diskussionskultur“ seitens der Regierung beklagt und sich nun in einer Front mit den Arbeitgebern wiederfindet: Gemeinsam fordern sie die Einführung der Tarifautonomie.

Auch wenn der Dialog funktionieren würde – was käme dabei heraus? Die Erfahrungen mit bisherigen Strukturanpassungsprogrammen lehren, daß die „soziale Dimension“ der Anpassung künftig stärker in den Vordergrund rücken sollte. Aber die Arbeitsbeschaffungsprogramme für Frauen und Jugendliche, die aus dieser Überlegung bereits in einigen Ländern laufen, haben nach Ansicht von Vremudia Deijomaoh nur einen „begrenzten Erfolg“. Die Einschätzung der Direktorin des „Jobs and Skills Programme for Africa“ bei der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) wird in Simbabwe geteilt, wo Gewerkschaftler diese Programme als „unwesentlich“ bezeichnen.

Schwache Gewerkschaften gleich starke Diktatoren

Die Kritik der Gewerkschaften erfolgt natürlich auch aus Eigeninteresse. Nur wenn die Gewerkschaften auch von den Geldgebern als Gesprächspartner ernst genommen werden, haben sie eine Chance, in Zeiten wachsender Arbeitslosigkeit ein Schwinden ihres Einflusses zu vermeiden. Dies ist aber für die Demokratiebewegungen Afrikas insgesamt wichtig. Gegenüber möglichen Gewaltexzessen bedrängter Diktatoren, die um ihre Macht fürchten, sind Gewerkschaftsverbände oft am effektivsten bei der Mobilmachung der Bevölkerung – so beispielsweise in Sambia vor der Abwahl Präsident Kenneth Kaundas 1991. Daß in Zaire Diktator Mobutu noch immer nach Gutdünken regieren kann, liegt auch an der Schwäche der zairischen Gewerkschaften, die im Vergleich zu den Kirchen oder einigen Oppositionsparteien wenig Einfluß haben.

Des Risikos einer Marginalisierung à la zairoise bewußt, versucht der Gewerkschaftsbund Simbabwes, seinen Einfluß von den Städten auf das Land auszudehnen. Er organisiert Alphabetisierungsprogramme für Landarbeiter auf den großen Farmen. Aber das ist eine langwierige Arbeit, und die schwierigste Aufgabe bleibt nach wie vor der Dialog mit der wachsenden, unübersichtlichen Menge der Wanderbevölkerung, die sich mit „informellen“ Tätigkeiten in den Städten durchschlägt. François Misser