piwik no script img

„Schön, daß ihr wieder dabei seid“

Die ersten Bundeswehrsoldaten sind vor wartenden TV-Kameras in Belet Huen gelandet / Der somalische Ort ist eine geteilte Stadt, die Kooperation zwischen den Clans ist schwierig  ■ Aus Belet Huen Bettina Gaus

Pünktlich um zwölf Uhr, der verabredeten Ankunftszeit, stand Colonel Carol Mathieu von den in Belet Huen stationierten kanadischen Truppen gestern am Flughafen der westsomalischen Kleinstadt, um die deutschen Kollegen willkommen zu heißen. Ausgerechnet um die Logistik sollen sich die Deutschen künftig kümmern. Aber erst um 13.45 Uhr landete die erste von heute insgesamt drei Transall-Maschinen der Bundeswehr.

Der erste deutsche Soldat mit blauer UNO-Mütze auf dem Kopf und G-3-Gewehr über der Schulter, der somalischen Boden betrat, war Tino Hausladen, Fallschirmjäger aus Lebach, der gestern seinen 24. Geburtstag feierte und in die laufenden TV-Kameras erst einmal Grüße an „meine Freundin, meine Eltern und all meine Freunde“ im unterfränkischen Heimatort Ebern ausrichtete. Nach ihm sprach der General: „Wir sind wieder in der Familie.“ Es hätte ihn in den letzten Tagen gerührt, daß Soldaten aus den USA, Kanada, Frankreich und anderen Ländern ihm erzählt hätten, daß sie lange in Deutschland gewesen seien und das Land liebten. Ihm sei gesagt worden: „Schön, daß ihr wieder dabei seid.“ General Bernhard: „Jetzt kümmern wir uns zusammen mit humanitären Organisationen um die Probleme dieser Welt.“

Das Risiko, das die Deutschen in Belet Huen in Kampfhandlungen verwickelt werden können, ist gering: Seit Ende Dezember 1992 haben kanadische Truppen – bis zu 951 Mann stark – für Ruhe in dem Ort gesorgt, der ohnehin weitgehend von Kämpfen verschont geblieben ist. Das allerdings liegt nicht daran, daß es unter den Einwohnern Belet Huens keine Konflikte gibt – im Gegenteil. Die Hawardle, größter ortsansässiger Clan, dominieren seit dem Sturz von Diktator Siad Barre alle anderen Gruppen – darüber wenigstens klagen die Vertreter der übrigen 14 Clans. Diese sind zwar gemeinsam den Hawardle zahlenmäßig überlegen, hatten aber früher kaum eine Möglichkeit, sich gegen sie zur Wehr zu setzen: Die Hawardle sind ein Unterclan der Hawiye, deren politische Gruppierung USC (Vereinigter Somalischer Kongreß) im Januar 1991 Siad Barre aus Mogadischu vertrieben hatte. Beim Kampf um eine große Militärbase in Belet Huen haben die USC- Kämpfer der Hawardle viele Waffen erbeutet, die sie seither zur Sicherung ihrer Stellung nutzen konnten.

Seit Ankunft der Kanadier sind diese Waffen aus dem Straßenbild verschwunden – dafür wagen nun auch andere Clans, ihren Anspruch auf Mitsprache laut zu stellen. Belet Huen ist heute eine geteilte Stadt: Im „Osten“ leben die Hawardle, auf der anderen Seite des Flusses Schebele die anderen Gruppen. Selbst lokale Organisationen können den Graben nicht überbrücken: In beiden Teilen der Stadt haben sich Frauenvereinigungen gegründet, die es als ihre Aufgabe ansehen, Kriegswitwen und Waisen zu unterstützen. Eine durchaus angestrebte Zusammenarbeit stieß bisher auf unüberwindbare Hindernisse. „Die Hawardle- Frauen wollen den gesamten Vorstand alleine besetzen“, meint die Händlerin Fatima Mo'alia aus dem Westen. „Das muß alles noch besprochen werden. Wir sind die Nachfolgeorganisation der Frauengruppe, die es schon vor dem Bürgerkrieg gegeben hat“, sagt dazu ihre Kollegin Falis Ali Belet aus dem Osten.

„Heutzutage muß jede ausländische Organisation mit beiden Seiten reden, wenn sie hier arbeiten will“, meint der somalische Arzt Tahlul Farrah Ahmed. „Wenn die Deutschen das nicht wissen und genau beachten, dann kann das Eifersüchteleien erzeugen, die zur Destabilisierung führen können.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen