: Bündnis-Grüne drängt's mit Macht nach Bonn
■ Birthler und Volmer wurden mit großen Mehrheiten zu Vorstandssprechern gewählt / Frühzeitige Festlegung auf Rot-Grün abgelehnt
Leipzig (taz/dpa) – Die neue Schrägstrichpartei Bündnis 90 /Grüne will bei der kommenden Bundestagswahl zur dritten politischen Kraft in Deutschland werden. Auf ihrem Vereinigungskongreß wählte sie am Wochenende einen gemeinsamen Vorstand und verabschiedete als „politisches Signal“ eine programmatische „Leipziger Erklärung“.
„Die Zeit der Protestpartei ist endgültig vorbei“, stellte Joschka Fischer fest. Er appellierte an die über 600 Delegierten, sich zur Regierungsverantwortung zu bekennen. Hauptziel sei aber, 1994 die Bundesregierung abzuwählen. „Wir wollen Kohl ablösen, und wir können Kohl ablösen“, rief Fischer unter tosendem Beifall.
Zu gleichberechtigten Vorstandssprechern wählten die Delegierten die frühere Brandenburger Bildungsministerin Marianne Birthler (45) und den bisherigen Grünen-Sprecher Ludger Volmer (42), beide ohne Gegenkandidaten. Birthler wurde mit 484 gegen 107 Stimmen gewählt (77 Prozent), Volmer mit 474 gegen 106 Stimmen (75 Prozent). Die Politische Geschäftsführerin der Grünen, Heide Rühle, und ihr Schatzmeister Henry Seltzer wurden auch für die neue Partei in ihren Ämtern bestätigt.
In der „Leipziger Erklärung“ machten die Delegierten deutlich, daß sie keine Regierungsbeteiligung um jeden Preis wollen: „Wir werden keine Mehrheitsbeschaffer von Koalitionen sein, in denen wir eine Statistenrolle spielen sollen.“ Nach kurzer kontroverser Debatte lehnten sie eine frühzeitige Festlegung auf ein rot-grünes Bündnis ab. Ein Antrag mit der Aussage: „Allen Gedankenspielen über Ampelkoalitionen oder gar Bürgerblock-Koalitionen erteilen wir eine klare Absage“, fand keine Mehrheit.
Verbunden mit scharfer Kritik an der SPD, machte Volmer die Bedingungen für eine rot-grüne Koalition auf Bundesebene deutlich. Die SPD müsse „erst einmal beweisen, ob sie überhaupt noch eine reformierbare und zu Reformen fähige Partei ist“. Gegenwärtig sei „mit dieser SPD kein Staat zu machen“. Es dürfe keinen Automatismus geben, „der uns in eine Koalition quasi hineindrückt“. Ziele seien eine ökologisch-solidarische Wende, Ausstieg aus der Atomenergie, Bewahrung des Asylrechts und Abrüstung der Bundeswehr statt Suche nach neuen Einsatzfeldern.
Die Kontroverse um Militäreinsätze zur Beendigung des Bürgerkrieges in Bosnien-Herzegowina wurde auf dem Parteitag nicht ausgetragen. Ein von Bündnis- 90-Politikern entworfener und höchst umstrittener Antrag, in dem solche Einsätze befürwortet werden, soll nun vom Länderrat, dem höchsten Gremium zwischen den Parteitagen, debattiert werden. Tagesthema Seite 3, Kommentar Seite 10
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