Die Revitalisierung der Platte

Bausenator stellt vier Wettbewerbsergebnisse zur Umgestaltung östlicher Plattenbauten vor / „Kisten zu Häusern“ / Chance, die Destabilisierung der Großsiedlungen zu verhindern  ■ Von Rolf Lautenschläger

Berlin. Mit einem regelrechten Wettbewerbspotpourri zu Wohnumfeldverbesserungen, Um- und Neubauten sowie neuen Platz- und Grüngestaltungen der östlichen Plattensiedlungen trat gestern Bausenator Wolfgang Nagel vor die Presse. Die im komplexen Wohnungsbau errichteten „Kisten“ sind nach Nagels Ansicht für den Wohnungsmarkt nicht nur „unverzichtbar“. Zugleich böten die Großsiedlungen aufgrund ihrer „Qualitäten“, wie die Lage im Grünen und die soziale Infrastruktur, „Entwicklungsmöglichkeiten zum Weiterbau für ein neues Wohn- und Arbeitsangebot“.

In Berlin-Marzahn wird deshalb noch in diesem Jahr nach den Plänen des Architekten Jens Freiberg (Paris) ein ganzer Straßenzug des zehngeschossigen Plattenbautyps QOP71 modernisiert werden. Verbesserungen an der Fassade, aber auch die Errichtung einer ganzen Neubauzeile vor den Blöcken soll der städtebaulich ausgefransten Struktur eine neue Kante geben.

Ebenfalls für Marzahn wurde ein landschaftsplanerischer Realisierungswettbewerb zur Gestaltung eines Platzes und eines Wohnhofes entschieden. An der Havemannstraße ist die Anlage eines „Stadtplatzes“ nach dem Entwurf der Architektin Heike Langenbach (Berlin) vorgesehen, die den „Stadtplatz“ als steinernes Quadrat in den öffentlichen Raum zwischen die Platten schiebt. Der Platz bietet Raum und eignet sich als Treffpunkt mit dem Hauch mediterraner Atmosphäre.

Weit weniger großstädtisch ausgeprägt sind die an den Platz angrenzenden Freiraumplanungen derselben Architektin: Der Wohnhof werde, so das Urteil des Juryvorsitzenden Winfried Richard, mit Bäumen und Spielplätzen, „Geländemodellierungen und klarer Wegeführung“ gezeichnet. Die grüne Idylle zu Füßen der Plattenghettos sei vor allem auf die „anwohnerspezifischen“ Bedürfnisse eingegangen.

Schließlich entschied das Preisgericht unter dem Vorsitz des Berliner Architekten Urs Kohlbrenner den engeren Realisierungswettbewerb zur Umgestaltung der „Schweriner Bauten“ in Hohenschönhausen, die Vorschläge des Berliner Teams CASA NOVA zu prämieren. Bei diesem Wettbewerb, erinnerte Kohlbrenner, ging es um die Dachaufstockung bestehender Plattenbauten aus den Jahren 1986 bis 1989. CASA NOVA setzten den Bauten ein Geschoß unter flügelartigen Dächern und luftigen Konstruktionen auf und formulierte die Fassade mit neuen Außenwänden, Loggien und einer Sockelzone aus. Bemerkenswert, so Kohlbrenner, sei die Differenzierung des Wohnungsschlüssels, der im festgeformten Plattengrundriß Variabilität zuläßt.

Die Anstrengungen des Bausenators für die „Revitalisierung der Platte“ (Nagel) sind wohl deshalb so massiver Art, gilt es doch die Segregation der Bürger in den östlichen Plattengewittern aufzuhalten. Nagel: „Es besteht die Chance, die Destabilisierung der Großsiedlungen zu verhindern, wenn die städtebaulichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden.“ Um den Bestand der rund 280.000 Plattenbauten in Ostberlin zu sichern, sind für Grunderneuerungen 60.000 Mark je Wohnung nötig, sagte Nagel. Da die Mieterträge für Instandsetzungen nicht ausreichten, seien langfristige Förderungsstrategien „mit Hilfe des Finanzsenators“ nötig. Nagel erhielt für 1993 zwar 122 Millionen Mark. Für das gesamte Instandsetzungs-Volumen seien jedoch 14 Milliarden Mark notwendig. Den Finanzbedarf für Wohnumfeldmaßnahmen bezifferte der Bausenator auf jährlich 100 Millionen Mark.

Ihre Sorge, die Modernisierungsmaßnahmen könnten zu unverhältnismäßigen Mietsteigerungen führen, äußerten bei der Pressekonferenz anwesende Marzahner gegenüber der taz. Kritik wurde auch an dem Wettbewerbsergebnis geübt, das eine zusätzliche Verdichtung der Plattensiedlung vorsieht.

Die Wettbewerbsentwürfe sind bis zum 4. Juni in der Wallstraße 27 in Mitte ausgestellt. Tägl. 9 bis 18 Uhr.