: Wo bleibt der Baseballmützen-Minister? Von Mathias Bröckers
Gar gräuslich grummelt's vom Parteitag der „Grünen“: „Ende der Protestpartei“, „Nicht protestieren, sondern reformieren“, „Grüne wollen die Macht“. Nun mag es zum Zwecke der Werbung und Propaganda nicht schlecht sein, wenn eine Partei nach außen Geschlossenheit demonstriert und daß manche Grüne nach über zehn Jahren jetzt endlich auch mal in die Bonner Geschäftsführung aufsteigen wollen, ist durchaus verständlich. Aber, und wegen der Wichtigkeit der Sache möchte ich ein zweites aber hinzufügen: aber aber, wo bleibt dann der Protest? Schon jammert die Journaille über Entzugserscheinungen: keine Tränen von Petra, kein Gegeifere von Jutta, kein Zoff, kein Chaos – ein Grünen-Parteitag vom Kaliber einer Krankenkassenhauptversammlung, so was gab's noch nie. Während etwa der CSU-Fundi Stoiber dem Realo und Augenbrauenminister Waigel derzeit mächtig einheizt, herrscht bei den vereinigten Grünen eine quasi mega-christliche Partei- und Diskursdisziplin. Wenn der sympathische dicke Arbeiterpolitiker Lech Fischer demnächst noch anfangen sollte, Bruderküsse zu verteilen, wird er vom Kirchentagspräsidenten Joschka Walesa kaum noch zu unterscheiden sein. Wo soll das alles enden?
Das Meckern und Motzen, das Kleckern statt Klotzen, war das Markenzeichen der Grünen, „Protest“ war ihr Geburtsthelfer und Wachstumshormon. Daß auf so ziemlich allen Gebieten – Wirtschaft, Zins, Rüstung, Arbeit, Bildung, Gesundheit, Ernährung, Forsten – so ziemlich alles radikal falsch läuft, daß wir so ziemlich alles ganz neu denken und ganz anders machen müssen, lokal, global und überhaupt, und zwar subito – so ungefähr lautete die Botschaft der Anti-Parteien-Partei. Und sie war die wirkungsvollste politische Botschaft unserer Zeit – auch wenn das meiste immer noch radikal falsch gemacht wird, gedacht wird heute schon ein bißchen richtiger, landesweit, sogar bis hinein in die durchbetonierten Hirnwindungen eines Stoiber Edi.
Ob der angestrebte Image- Transfer von der „Protest“- zur „Reform“-Partei den Grünen bekommt, ist keineswegs sicher. Wie schwer der Geschmack der Bevölkerung kalkulierbar ist, zeigte ja unlängst das Beispiel des Getränkeherstellers, der reumütig zu „Coca Cola Classic“ zurückkehren mußte. Den Grünen könnte Ähnliches passieren, nicht nur weil die Leute eben keinen Turnschuhminister in Slippern und Leinenjacket wollen, sondern einen mit Baseballmütze. Sondern auch, weil der Spagat zwischen „Protest“ und „Reform“ zu paradoxen Verzerrungen führt: wer den Rüstungswahnsinn stoppen will, kann keine Bundeswehr-Einsätze verlangen, wer den Wachstums-Wahn beenden will, kann nicht gleichzeitig Lohnerhöhungen gutheißen, wer Vergiftungsgefahren reduzieren will, muß Chemie-Standorte in dichtbesiedelten Gebieten schließen, wer die Wende in der Verkehrspolitik will, kann dies nicht vom Dienst-Daimler aus tun... Wer bessere Politik machen will, muß Anti-Politik machen, jenseits des vierjährigen Rhythmus der politischen Schönheitswettbewerbe. Daß die Grünen „light“ dort einen Blumentopf gewinnen, könnte durchaus sein – Sinn machte das aber nur, wenn sie danach sofort zu „classic“ zurückkehren. You can't beat the Feeling!
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