: Mobil ohne Auto statt stabil im Stau
■ Zehntausend TeilnehmerInnen bei einer Sternfahrt des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs zum Auftakt eines viertätigen „Festival des pedaleurs“
Berlin. Beinahe hätten sich gestern die Teilnehmer der traditionellen Fahrraddemonstration um den Höhepunkt gebracht. Statt klingelnd mehrere Runden um die Siegessäule zu kurven, radelte die aus Potsdam kommende Spitze brav dem Polizeiwagen hinterher und bog ordnungsgemäß in die Straße des 17. Juni Richtung Brandenburger Tor ein. Erst nachdem die Spandauer schrien und gestikulierten, wendeten sie und etwa 1.000 Radler zogen gutgelaunt um den Großen Stern eine Runde nach der anderen. Sie fuhren dann so lange herum, bis endlich auch der Zug aus dem Wedding über die Stromstraße eintraf und der Bezirk Tiergarten wirklich nur den Fahrradfahrern gehörte.
Wie viele Radler dem Aufruf des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs gefolgt waren, war nur schwer feststellbar. Denn die aus allen Himmelsrichtungen kommenden Fahrer trafen nicht wie vom Allgemeinen Deutschen Fahradclub vorgesehen gegen 13 Uhr am Großen Stern ein, um dann gemeinsam zum Alex zu radeln, sondern zu höchst unterschiedlichen Zeiten. So war nicht, wie vom ADFC angekündigt, die „vermutlich größte Fahraddemonstration Deutschlands“ zu sehen, sondern nur immer neue Mengen gestylter und ungestylter SportlerInnen. Der ADFC schätzte rund zehntausend TeilnehmerInnen, die unter der Devise „mobil ohne Auto statt stabil im Stau“ die Innenstadt belebten.
Jene, die aus Ahrensfelde, Hennigsdorf, Kleinmachnow oder auch nur aus Charlottenburg oder Kreuzberg anradelten, hatten sichtlich ihren Spaß. Die Gepäckträger auf den Tourenrädern oder die Rucksäcke der Rennradbesitzer waren prall gefüllt mit Isostar und anderen mineralhaltigen Aufputschgetränken, mit immer wieder herausgekramten Sonnenschutzmitteln oder mit Obst gegen den Kalorienverlust. Viele Kinder waren dabei, die kleinsten in Fahrradanhänger gepackt, einige Rikschafahrer, sowie drei Tandems des Blindensportvereins. „Wir fahren immer zu zweit“, stand auf einem mitgeführten Plakat zu lesen. Ab und zu säumten beschwipste Vatertagsfeierer die Straßen und sprühten den angeschüttelten Sekt über die Pedalritter. Aber die nahmen das mit Gelassenheit. Ärgerlich fanden viele nur das Ende der Tour auf dem Alex. Dort waren keine Stände aufgebaut, und es gab keinen geselligen Treffpunkt. So drehten viele schnell ab und zogen – jetzt jeder für sich – ab in den Tiergarten. aku
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen