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Saarstahl AG meldet Konkurs an

Das marode Völklinger Unternehmen fuhr zuletzt Verluste von monatlich 30 Millionen Mark ein Kein Flankenschutz vom französischen Mehrheitseigner Usinor-Sacilor  ■ Aus Saarbrücken Frank Thewes

Zwei Tage nach dem überraschenden Konkursantrag der Völklinger Saarstahl AG suchen Politiker und Gewerkschaften verzweifelt nach einem Rettungsanker für das marode Unternehmen. Doch die Chancen, den Betrieb mit zur Zeit noch 7.500 Beschäftigten endgültig vor dem Untergang zu bewahren, sind gering. Ohne neues Geld von außen ist die Liquidierung vorprogrammiert.

Der Saarstahl-Mehrheitseigner, der französische Stahlkonzern Usinor-Sacilor, hat seinem Schützling bereits den Geldhahn abgedreht. Nur die saarländische Landesregierung, mit einer Sperrminorität von 27,5 Prozent an Saarstahl beteiligt, sagte Hilfe zu — woher sie aber das Geld nehmen will, ist ein Rätsel. Besonders Ministerpräsident Oskar Lafontaine steht unter Druck, denn seit Jahren läßt er sich als Retter der saarländischen Stahlindustrie feiern. Doch am Dienstag abend mußte Landesvater Oskar der verdutzten saarländischen Öffentlichkeit bekanntgeben, daß das Unternehmen bereits Konkurs angemeldet hat.

Seit der Stahlkrise in den 70er Jahren mußten die Saarländer immer wieder um das Unternehmen bangen. Nur hohe Subventionen sicherten den Fortbestand des Profilstahl-Spezialisten – allerdings auch unter dem Verlust von Arbeitsplätzen. 1978, als das Werk unter Führung des Luxemburger Konzerns Arbed erstmals saniert werden sollte, arbeiteten dort noch 25.000 Menschen. Trotz Milliardensubventionen gingen die Marktprobleme des Unternehmens weiter. Bereits Ende 1983 drohte der Konkurs. Arbed hatte genug von Saarstahl und schob das Werk zum symbolischen Preis von einer Mark an das Land zurück. Nur wenige sahen trotz der Mißerfolge eine Alternative zu den Stahl-Subventionen: Eine Pleite wäre politisch absolut untragbar gewesen. Mit einer Arbeitslosenquote von 12 Prozent hätte das Saarland quasi über Nacht allein 25.000 jobsuchende Stahlarbeiter schlichtweg nicht verkraftet.

Das Desaster in der Stahlpolitik brachte 1985 die erste rote Nachkriegsregierung im Saarland an die Macht: Oskar Lafontaine hatte den Wählern das überzeugendere Stahlkonzept präsentiert. Innerhalb von vier Jahren schaffte es die Landesregierung, die Beschäftigtenzahl ohne Entlassungen zu halbieren. Am 20. April 1989 zog Lafontaines Landesregierung dann, so die eigene bescheidene Einschätzung, „den Schlußstrich unter unsere erfolgreiche Restrukturierung der saarländischen Stahlindustrie“: Saarstahl und die wirtschaftlich erfolgreiche Dillinger Hütte schlossen sich unter dem Dach einer Holding zusammen. An dieser Gesellschaft mit dem Namen Dillinger Hütte Saarstahl AG (DHS) hält Usinor-Sacilor 70 Prozent, Arbed 2,5 und die Landesregierung 27,5 Prozent. Noch im gleichen Jahr profitierte auch Saarstahl vom allgemeinen Stahlboom und schaffte erstmals seit 1974 wieder den Sprung in die Gewinnzone.

Doch der kurze Höhenrausch war schnell verflogen, das Unternehmen rutschte immer tiefer in die roten Zahlen. Und obwohl Lafontaine noch kurz zuvor erklärte, die saarländische Stahlindustrie sei saniert und wettbewerbsfähig, mußte Saarstahl im März einen drastischen Personalabbau bekanntgeben: zunächst war von 1.500, zuletzt von 2.700 Stellen die Rede. Zuletzt fuhr Saarstahl monatliche Verluste von 30 Millionen Mark ein. Die notwendige Kapitalerhöhung kam für den Mehrheitseigner Sacilor nicht mehr in Frage: die Franzosen zogen die Notbremse und stellten Konkursantrag. Das „vorausschauende Fortschrittsprogramm“, das Saar-Wirtschaftsminister Reinhold Kopp erst kürzlich den DHS-Managern attestiert hatte, war gescheitert.

Aller Voraussicht nach werden die Saarstahl-Anteile ähnlich wie nach dem Arbed-Abenteuer schon bald wieder an das Land fallen. Die nächsten drei Monate übernimmt das Arbeitsamt die Löhne der 7.200 Beschäftigten als Konkursausfallgeld. Danach fällt die endgültige Entscheidung, ob ein Konkursverfahren eingeleitet werden muß oder noch ein Vergleich möglich ist. Die Landesregierung erwägt die Gründung einer Auffanggesellschaft, die zukunftsträchtige Bereiche weiterführen soll und noch etwa 2.000 Arbeitsplätze sichern könnte. Doch dies alles kostet Geld. Die Bundesregierung hat zusätzliche Mittel für Saarstahl bereits abgelehnt und will allenfalls bei der „sozialen Abfederung“ helfen. Dem total verschuldeten Saarland selbst – das Defizit ist mehr als dreimal so hoch wie der gesamte Haushalt – steht das Wasser ohnehin bereits bis zum Hals. Der Landeskasse winkt zwar eine Teilentschuldung durch den Bund von jährlich 1,6 Milliarden Mark zwischen 1994 und 1998. Doch der lange ersehnte Geldregen im finanziell verdorrten Saarland soll nach einhelliger Ansicht nicht ausgerechnet bei Saarstahl versickern. Denn schließlich haben gerade die Subventionen für die Montanindustrie wesentlich zur Rekordverschuldung beigetragen.

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