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■ ÖkolumneFliegen für Theo Von Hermann-J. Tenhagen

Man macht sich ja so seine Gedanken als Bürger und Steuerzahler. Über den Theo Waigel und wo all die Milliarden herkommen sollen, über die alten und neuen Schuldenberge und über unsere Kinder, die das alles mal bezahlen sollen. Kein Ausweg, nirgends. Oder doch, beim Blättern in den Last-Minute-Angeboten für den Sommerurlaub fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Chicago 950 Mark, Bangkok 1.250 Mark und Sydney 1.950 Mark. Die Flugbenzinsteuer: eine bislang gänzlich unangezapfte Steuerquelle, und ergiebig ist sie auch noch. Bis zur Jahrtausendwende soll sich der Flugverkehr international verdoppeln.

Über den Wolken ist die Freiheit bislang nicht nur grenzenlos, sondern auch noch steuerfrei. Der wahrhaft freie Flug für den freien Bürger sozusagen. Einen richtigen Grund dafür gibt es nicht, abgesehen vielleicht davon, daß diejenigen, die über eine solche Steuer beschließen, selbst Vielflieger sind und den Griff ins eigene Portemonnaie scheuen. Gerade Theo Waigel war Zeit seines politischen Lebens von Vielfliegern umgeben: Franz-Josef Strauß, Max Streibl, und sogar Erzfeind Edmund Stoiber fliegt gern und am liebsten umsonst.

Der Widerstand der Vielflieger ist daher gut organisiert. Klassisch wird die Frage nach einer Flugbenzinsteuer zunächst ins Ausland verlagert. Es gebe internationale Vereinbarungen über den Verzicht auf eine solche Steuer, da könne man nichts machen. Außerdem will man auch nicht, schon wegen der Wettbewerbsnachteile und des freien Welthandels. Wo kommen wir denn hin, wenn deutsche Autos nicht mehr per Jumbo in die USA exportiert werden können. Schließlich könnten dann umgekehrt andere Staaten sogar noch der armen gebeutelten Lufthansa beim Auftanken in Nairobi oder Caracas zum Beispiel eine willkürlich hohe Mineralölsteuer abknöpfen.

Über den Wolken gibt es aber auch noch einen deutschen Luftraum wird man dem entgegenhalten müssen. Dort wird heute dreimal soviel geflogen, wie vor 20 Jahren. Bei all diesen innerdeutschen Flügen, immerhin 50 Prozent aller Starts und Landungen im Land, könnten Theo Waigels Beamte ohne Rücksicht auf internationale Vereinbarungen sofort kassieren. Für die Hedonisten im Lande: Der Wochenendtrip nach Mallorca würde damit zunächst nicht teurer. Dies Ärgernis folgte erst im nächsten Schritt. Gibt es doch international derzeit eine Reihe von Finanzministern, die große Löcher in der Kasse stopfen müssen. Das Thema Flugbenzinsteuer lohnt einen Vorstoß auf dem nächsten Gipfel der großen Industrienationen durchaus.

Über acht Milliarden Liter Kerosin verbrennen Düsenflieger im deutschen Auftrag Jahr für Jahr. Die Fluggesellschaften zahlen für das Kerosin nur zwischen vierzig und fünfzig Pfennige. An den riesigen billigen Tankstellen wie am Flughafen Frankfurt/Main (fast 2 Millionen Liter) ist Vater Staat einfach nicht dabei. Würde er für jeden Liter Liter Kerosin auch die obligatorische Mark Mineralölsteuer abschöpfen, wären das bundesweit glatte acht Milliarden Mark.

Milliarden, die nicht an Sozialleistungen gestrichen werden müßten. Milliarden zudem, die dank der wenigen Flugbenzin-Tankstellen ohne großen Aufwand zu kassieren sind. Milliarden, die den Autofahrer im Stau überzeugen, das er nicht die einzige Melkkuh der Nation ist. Milliarden weiter, gegen die auch oppositionelle Sozialdemokraten aus verteilungspolitischen Gründen nicht viel einwenden können.

Und was das schönste an der Flugbenzinsteuer ist, sie ist auch noch multifunktional. Theo Waigel profitiert durch das Geld in seiner Kasse. Die Umwelt profitiert, weil nach allen Erfahrungen das Fliegen wenn teurer auch weniger wird. Weniger Flüge zerstören die Ozonschicht weniger, sie vergiften mit ihrem Kerosinnebel die Umgebung der Flughäfen weniger, sie tragen weniger massiv zum Treibhauseffekt bei und rauben weniger Menschen den Schlaf. Ein Jumbojet verbraucht in den Minuten des Starts 6.400 Liter Kerosin.

Die Bahnen profitieren von mehr aktenkoffertragenden Kunden. Der deutsche Einzelhandel profitiert von dem Geld, das in hiesigen Boutiquen statt bei Shopping-Ausflügen in London ausgegeben wird. Edmund Stoiber ärgert sich, weil das Fliegen teurer wird. Und sogar die Lufthansa profitiert, wenn man den Verlustzahlen glauben darf. Jeder ausgefallene Flug spart bares Geld.

Fazit: Die Flugbenzinsteuer ist für Theo das Mittel der Wahl. Nur Gelddrucken ist schöner.

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