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Nie mehr Gedenkappelle

Heute wird in der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück ein neues Museum eröffnet  ■ Aus Ravensbrück Friederike Freier

In der Gedenkstätte für das ehemalige Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück rufen neuerdings immer mal wieder Fürstenberger an. „Kommen Sie doch mal vorbei heute abend, wir haben da eine Baracke im Garten zu stehen.“ Diese Hütten im Garten könnten Häftlingsbaracken gewesen sein. Die wurden Anfang der fünfziger Jahre vom KZ-Gelände abgetragen, auf dem seit 1945 Einheiten der Sowjet-Armee einquartiert waren.

Bis 1982 gehörten nur die ehemalige SS-Kommandantur und ein paar Garagen zur Gedenkstätte, danach übergab die sowjetische Armee den Strafbunker des Konzentrationslagers. Jetzt zieht die Armee ab; die Gedenkstätte bekommt das Areal und die Gebäude. Darunter die ehemalige Lagerschneiderei und – sämtliche Häuser, in denen bis zum April 1945 die Aufseherinnen wohnten. Seit fünfeinhalb Monaten verwaltet nun eine neue Museumsdirektorin mit Namen Sigrid Jacobeit das Gelände; morgen wird in der ehemaligen SS-Kommandantur eine neue Ausstellung eröffnet: „Ravensbrück – Topographie und Geschichte des Frauen-KZ“.

Fürstenbergs Pfarrer Erdmann ist zufrieden mit dem Gang der Dinge. Er war 1991 der einzige Stadtverordnete, der gegen einen Kaiser's-Supermarkt an der Zufahrtsstraße zum KZ votierte. Kaiser's zog bekanntlich wegen Protesten aus aller Welt nicht ein. Der Supermarkt steht jetzt am Ortseingang, und die Abstimmung würde heute anders ausgehen. Woran das liegt? „Frau Jacobeit ist eine Integrationsfigur“, sagt Erdmann. „Sie ist sehr offen, geht auf die Leute im Ort zu.“ Vor vier Wochen war Jahrestag der Befreiung des KZs. „Sonst war ich immer der einzige, der da hinging. Diesmal hatte Frau Jacobeit alle Abgeordneten einzeln eingeladen – von zwanzig sind sieben gekommen. Und sie haben einen Stil des Gedenkens kennengelernt, der himmelweit verschieden ist von dem, was wir in DDR- Zeiten kennengelernt haben.“ Dann erzählt der Pastor aus der Zeit vor 1989, von ritualisierten Aufmärschen, „Gedenkappellen“ mit Fürstenberger Bürgern vor dem Lagergelände. „Immer, wenn es um das KZ ging, haben die Leute hier die Augen verdreht.“

Direktorin Jacobeit, promovierte und habilitierte Volkskundlerin, bewegt sich in der Gedenkstätte, als wäre es ein ganz normales Heimatmuseum. Sie hat es nicht nötig, bedächtig zu gehen und mit gedämpfter Stimme zu sprechen und könnte es sich auch gar nicht leisten. Wenige Tage vor Eröffnung der Ausstellung wuselt Sigrid Jacobeit durch das Museum und hilft, die Vitrinen einzurichten. Die Wände sind bereits mit riesig vergrößerten Fotografien verstellt, Bilder aus dem Lager und aus Fürstenberg stehen sich gegenüber.

Eine Hälfte der Ausstellung berichtet über die Entstehungsgeschichte des Lagers – Ortsgeschichte mit vielen Landkarten. In den übrigen Räumen geht es um die Arbeit der Häftlinge – und um Vernichtung durch Arbeit. Eine Vitrine wird den Einsatz der Häftlinge in Siemens-Werkstätten dokumentieren; gegenüber hängt ein überdimensionales Foto aus der Schneiderei. Davor stehen drei Nähmaschinen. Die gehören noch nicht lange zum Museumsbestand– bis vor kurzem hatte sie ein Fürstenberger im Hause.

Ein Dokument der Ausstellung ist moderner Art: fünfzehn Minuten Video. Drei ehemalige Häftlinge berichten für Ravensbrück über den Alltag im Lager. Sigrid Jacobeit über die Dreharbeiten: „Wir waren da erst mal ganz naiv und haben gedacht: Eine von uns kann ganz gut mit einer Videokamera umgehen. Sie sollte filmen.“ Eine Profi-Filmemacherin warnte jedoch vor einem Laienfilm und half beim Drehen.

Daß Häftlingsbiographien gezeigt werden, ist ein Novum in Ravensbrück. Das Frauen-KZ wurde zu DDR-Zeiten stiefmütterlich behandelt: Während das ZK der SED 1983 für Buchenwald 200 Millionen Mark zur Verfügung stellte, bekam Ravensbrück gerade ein Viertel dieser Summe ab. Bislang konnte man im Museum nur die für DDR-Museen typische anonyme Draufsicht betrachten – unter dem Stichwort antifaschistischer (also kommunistischer) Widerstand. Erst am 8. Februar dieses Jahres wurde diese Ausstellung aus dem Jahr 1984 geschlossen. „Es wäre zu einfach, irgendwelche Schelte zu verteilen“, sagt Sigrid Jacobeit. Sie hat allerdings ganz andere Vorstellungen von einem Museum. Keine Parolen, sondern erst einmal überhaupt kein Kommentar zu den Dokumenten.

„Das ist hier jetzt eine Diskussionsausstellung“, sagt die neue Direktorin. Anfang Januar legte sie den Angestellten ein paar Ideen vor und bat um Mitarbeit. Was in Ravensbrück jetzt eilig zusammengestellt worden ist, soll lediglich Gesprächsgrundlage sein, eine Übergangslösung, die ständig erweitert wird. Die Museumspädagogen arbeiten derweil über Details zur Geschichte des Lagers, über medizinische Experimente an Häftlingen etwa oder über Schwangerschaft und Kinder im Lager. „Daraus können dann selbständige Dokumentationen werden“, meint Sigrid Jacobeit.

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