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CDU versorgt Ex-Chef mit Geheimprotokollen

■ Eklat im Untersuchungsausschuß

Magdeburg (taz) – Wie die ertappten Schulbuben saßen sie da: die Abgeordneten der CDU-Fraktion im parlamentarischen Untersuchungsausschuß, den der Landtag von Sachsen-Anhalt zu diversen Spitzelaffären im Land eingerichtet hat. Sie hatten einen Zeugen mit nichtöffentlichen Protokollen des Ausschusses versorgt. Und der war blöd genug, das Material mit in seine Vernehmung zu nehmen. Der Mann ist Ex-Ministerpräsident Gerd Gies, dem die Kollegen von der Christenunion offenbar noch einen Gefallen schuldig waren, nachdem sie ihn 1991 vom Thron gestoßen hatten.

Der Frankfurter Privatdetektiv Klaus-Dieter Matschke hatte in seiner Aussage behauptet, Gies habe ihm eine Liste aller Landtagsabgeordneten von Sachsen-Anhalt gegeben, verbunden mit dem Auftrag, die Volksvertreter auf eine mögliche Stasi-Vergangenheit zu überprüfen.

Das Protokoll dieser Aussage hatte der Rechtsbeistand des Zeugen Gies, Professor Hans-Ludwig Schreiber, jetzt vor sich auf dem Zeugentisch liegen – und zuvor gründlich durchgearbeitet, wie zahlreiche Anstriche und Anmerkungen belegen.

So schnöde erwischt, machten Gies und Schreiber panisch auf Schadensbegrenzung. Der Zeuge Gerd Gies, so versicherten sie, habe das Material nicht zu Gesicht bekommen. Schamrot schwiegen derweil die CDU-Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Bündnis 90 und SPD verlangen, daß Landtagspräsident Klaus Keitel den Fall untersucht und die CDU- Fraktion dazu bewegt, den Verantwortlichen aus dem Untersuchungsausschuß zurückzuziehen.

Bei der zweiten Zeugenvernehmung kam heraus, daß die ehemalige Gies-Sekretärin Christiane Dreyer schon vor Empfang der Ladung wußte, daß sie als Zeugin vor den Ausschuß muß. Sowohl der CDU-Landesgeschäftsführer Bernd Reisener als auch der ehemalige Büroleiter von Gerd Gies, Bernd Lüdkemeier, fühlten sich verpflichtet, die Dame auf ihre Rolle als Zeugin vorzubereiten. Eberhard Löblich

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