: Der persönliche Schwamm
■ Neue Umweltkonzepte sorgten beim Volkslauf für eine ökologische Entlastung / Erste Erfahrungen ohne Plastik und Orangen sind positiv
Der Hansemarathon und seine Bilder: In den bunten Blättern, via Television, in den Illustrierten – überall sind sie, die Bilder von glorreichen, meist schwarzafrikanischen Siegern. Häufig gezeigt wird auch ein buntes Meer von wild durcheinander tanzenden Trikots. Und Müll. Straßenzüge von Müll. Bergeweise, tonnenweise, meterweise Müll. Trotz grünen Punktes gibt es keine Möglichkeit, daran vorbei zu sehen. Diesmal jedoch ist alles anders: Eben über dem Steißbein im Hosenbund klemmte er, unter den Trikotträgern auf den Schultern, im Schweißband in Stirnmitte oder einfach in der Hand: Der persönliche Schwamm.
Durch ihn, mit den Startunterlagen überreicht, sollte dieses Jahr der marathonbedingte Müllberg von 43,3 Kubikmeter auf nur noch 7,3 Kubikmeter verringert werden. Das gelang: Statt der üblichen 90 000 zierten nur 15 000 der gelben Küchenhelfer den staugeplagten Hamburger Asphalt nach dem Abzug der laufenden Meute. Der Marathon wurde aufgrund des zum Jahreswechsel installierten Hamburgischen Abfallwirtschaftsgesetzes ökologisiert. Mit dem Gesetzestext wurde zugleich ein umfangreicher Maßnahmenkatalog zur Müllvermeidung beim Hansemarathon verabschiedet. Im nächsten Jahr soll es demzufolge nur noch nasse Frotteetücher geben, die sich, als Andenken mitgenommen, vielleicht sogar selbst entsorgen.
Folgende Änderungen gaben dem biederen Volkslauf schon in diesem Jahr das Flair eines Öko-Marathons: Frühstücksbuffet und Nudelparty wurden ausschließlich mit Mehrweggeschirr durchgeführt. "In" war die Mitnahme von eigenem Besteck. "Out" waren dagegen die Plastikumhänge, welche bislang die Auskühlung der ausgepowerten SportlerInnen am Ziel verhinderten. Auch sie waren nicht mehr dabei. Ersatzweise hielten die Hilfsdienste, je nach Erfordernissen, Wolldecken bereit. Auch die fast 60 000 Apfelsinenschalenstücke landeten nicht auf der Straße. Statt der 15 000 Zitrusfrüchte gab es 5000 mundgerecht entblätterte und portionierte Bananen mehr, insgesamt 20 000. Die Apfelsinen kamen bei den LäuferInnen bisher sowieso nicht gut an. Die Säuren der orangefarbenen Südfrüchte vertragen sich nicht mit den Elektrolythgetränken. Es gab ein vernehmliches Rumoren im Magen, wenn beides zusammenkam, berichteten erfahrene Lauf-Enthusiasten.
Einige Probleme bleiben aber trotz aller Neuerungen bestehen: 90 000 wassergefüllte Pappbecher, 70 000 Wander-Elektrolythfläschchen und zwanzig Kilometer rot- weißes Absperrband aus Plastik müssen auch in diesem Jahr entsorgt werden. In Planung ist eine gesonderte Sammlung dieses Unrates. Zwecks Wiederverwertung.
Marcus Reddemann/clau
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