■ Radiodays: Montag
Es gibt Sendungen, die sich einfach einer „normalen“ Ankündigung entziehen. Sie sind so vielfacettig, grauenvoll und dicht wie das Leben, von dem sie berichten, und dabei so authentisch wie ein ernstgemeintes Gespräch. Wie ein gemeinsames Nachsinnen über einen gordischen Knoten, das sich in Assoziationsketten erst langsam entspinnt und so schnell die Richtung wechselt, wie es die komplizierte Lage der Dinge eben verlangt. Jede Unterbrechung so eines organischen Denkflusses wirkt da gewaltsam, jede Hervorhebung wie ein brutaler Schnitt. Solche Glücksfälle des Hörfunks überschreiten die mediengesetzte Grenze zwischen Autor und Hörer.
Eine schon als Manuskript so herausragende Arbeit wie Die bosnische Tragödie(WDR 5, 14 Uhr) sollte statt einer Ankündigung einfach zitiert werden. Wort für Wort. Bild für Bild. Ivan Ivanji, der Autor dieses fast poetischen O-Ton-Features spricht hier nicht als der bekannte Germanist, Journalist, Schriftsteller und Übersetzer Titos. Hier erscheint die Privatperson, für die die Greuel „unermeßlich schrecklich sind“ und eigentlich „nicht auszusprechen...“ Aber Ivanji spricht trotzdem. Immer wieder umkreist er die Sprachlosigkeit. Die eigene und die seiner Gesprächspartner. Denn er gehört zu den Menschen, die gerade dann weiterbohren, wenn es keine Antworten zu geben scheint. Er sucht mit Hilfe eines Psychotherapeuten, eines jungen Germanisten, einer einfachen Frau, und dem Philosophen und Professor für Städtebau Bogdan Bogdanović, die Wurzeln des Hasses auf dem Balkan freizulegen. Während der Autor historische Totalen neben menschliche Details montiert, gewinnt ein immens wichtiger Gedanke an Gestalt: die Warnung vor allgegenwärtiger Geschichtsverdrängung. GeHa
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