piwik no script img

Schwarzes Geld aus schwarzem Gold

■ Osteuropas Mafia verkauft bislang noch staatlich verbilligtes Öl gegen harte Devisen in den Westen

Warschau (taz) – Als erste Ermittlungsergebnisse einer estnischen Sonderkommission durchsickerten, reagierte die schwedische Regierung heftig: Schweden werde bis zur Klärung der Angelegenheit jegliche Wirtschaftshilfe einfrieren. Der Grund: Schwedisches Öl, im Rahmen eines nicht rückzahlbaren Kredits an Estland exportiert, war in Hamburg gegen harte Devisen verkauft worden. Auch Estland regierte schnell: einige bekannte Geschäftsleute in Tallinn wurden verhaftet. Schon im Sommer letzten Jahres war es zu einem ähnlichen Skandal gekommen, als finnisches Öl unterderhand verkauft worden war.

Halblegale und illegale Ölspekulationen finden inzwischen in ganz Osteuropa statt, in der Ukraine ist vom Entstehen einer eigenen „Ölmafia“ die Rede. Die Ukraine bezieht den Löwenanteil ihres Ölbedarfs aus dem benachbarten Rußland. Da die Preise lange Zeit unter dem Weltmarktniveau lagen, wurden die Lieferungen über russische Kontingente geregelt. Einige Zeit lang galten diese aber nur für Staatsbetriebe. Es kam, wie es kommen mußte: Das billige Öl floß über private Kanäle in den Westen. Später stellten Ermittler fest, daß die ukrainischen Öl-Exportkontingente drastisch überschritten waren – obwohl sich am chronischen Treibstoffmangel nichts geändert hatte. „Nur daß die Devisenerlöse auch nicht gerade in Form von wirklich notwendigen Importgütern zurückflossen“, beklagte die Wochenzeitung Postpostup ironisch.

Im Dunstkreis der Lysytschaner Ölverarbeitung wurden laut Postpostup insgesamt 13 private Briefkastenfirmen gegründet, die den Stoff dann ins Ausland pumpten. Auf österreichischen und schwedischen Bankkonten fanden die Kontrollbehörden 65 Millionen Dollar aus illegalen Exportgeschäften zwei weiterer staatlicher Ölbetriebe.

Nun beschäftigt sich ein parlamentarischer Ermittlungsausschuß mit der Lizenzvergabe an Privatfirmen. 43 von 86 Lizenzen des Außenhandelsministeriums sollen unter Bruch geltender Vorschriften erteilt worden sein.

In nahezu allen osteuropäischen Ländern mehren sich die Hinweise darauf, daß nach dem illegalen Devisenhandel nun der Treibstoffhandel die gewinnträchtigste Branche geworden ist. In Polen wurden damit mehrere Kleinstfirmen reich, die über Finnland zollfreies Benzin importierten. Der Kampf um Marktanteile nahm innerhalb kurzer Zeit Formen an, die an sizilianische Verhältnisse erinnern: Ein Firmenchef wurde von bewaffneten Räubern seiner Firmenunterlagen entledigt, ein anderer in Danzig von Unbekannten beschossen.

Osteuropäische Ölspekulationen beruhen im allgemeinen auf der Tatsache, daß der Ölpreis künstlich niedrig gehalten wird, weil Treibstoff zu Recht als eine äußerst inflationstreibende Ware gilt. Damit eröffnen sich für die meist staatlichen Treibstoffkonzerne und private Zwischenhändler riesige Gewinnspannen. So ist weißrussischer Treibstoff inzwischen ein beliebter Importartikel in Polen. Auch bulgarisches Benzin sorgte hier für einen größeren Skandal, als sich herausstellte, daß eine winzige Handelsfirma in Kielce 300.000 Tonnen Treibstoff aus Rotterdam über ein kleines bulgarisches Joint-venture erworben hatte. Verrechnet wurde in Transferrubel, wodurch die Firma sieben Millionen Mark Zoll und Umsatzsteuer hinterziehen konnte. Das Beispiel zeigt, daß auch Weltmarktpreise nicht unbedingt ein Schutz gegen solche Affären sind.

Polen hat inzwischen seine Benzinpreise auf etwa 60 Prozent des deutschen Preisniveaus angehoben und Handelslizenzen eingeführt. Jetzt ermittelt bereits der Staatsschutz gegen mehrere hohe Beamte der Regierung Olszewski, die vor einem Jahr Lizenzen gegen Schmiergelder in Höhe von insgesamt mehreren Millionen Mark vergeben haben sollen. Mittelfristig soll nun der gesamte Treibstoffkomplex von der Produktion bis zu Polens 13.570 Tankstellen umorganisiert und privatisiert werden. Klaus Bachmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen