: „...aus dem Kapitalismus rausmarschieren“
■ Rudolf Bahro und das Landleben / Ökologischer Landbau in Brandenburg – ein Ausweg aus Massenarbeitslosigkeit und selbstzerstörerischer Lebensweise?
Rudolf Bahro zitierte Gustav Landauer: „Wer aus dem Kapitalismus raus will, muß aus der Fabrik raus“ – ergo also aufs Land ziehen. Nur da liegt für Rudolf Bahro die Zukunft der Menschheit. Die Aufgabe faßte er am Mittwoch abend im Haus der Demokratie in einfache Worte: „Es geht um die Neubegründung von Gesellschaft.“ Wer es unter den rund 150 Zuhörerinnen ein wenig schlichter haben wollte, kam nicht auf seine Kosten. Die Frage nämlich, ob der ökologische Landbau in der Region Brandenburg eine Zukunft hat, wie im Titel der Podiumsdiskussion gefragt wurde, blieb weitgehend unbeantwortet.
Der einhundertjährige Geburtstag der Kolonie Eden (Bericht auf Seite 23) war Anlaß, über die Perspektiven der Alternativbewegung auf dem Lande nachzudenken. Sind Selbstversorger-Gemeinschaften heute ein Ausweg aus Massenarbeitslosigkeit, Bodenspekulation, Zukunftsverlust und dem Teufelskreis der ökologischen Zerstörung, fragten die Veranstalter vom Bündnis 90/Grüne.
Für die ökofeministische Wissenschaftlerin Maria Mies aus Köln ist die Subsistenzwirtschaft, also das Wirtschaften für den Eigenverbrauch und nicht für den Markt, der „einzige Weg aus der Krise“. Weder reichten die Ressourcen aus, damit alle Menschen auf der Welt so leben könnten wie in Deutschland, noch sei dieser zerstörerische Lebensstil für alle wünschenswert.
Auch Bahro sieht in der Abkehr von den Marktverhältnissen einen Ansatz für eine verträgliche Zukunft. Ihm gehe es nicht um die bäuerliche Idylle, aber es sei „ein absolutes Wahnsinnsprojekt, die großindustrielle Gesellschaft fortzusetzen“, schleuderte Bahro in einer fahrigen Rede in den Saal. Bahro grenzte sich gegenüber allen Versuchen ab, die Städte menschenverträglicher zu gestalten. „Stadtökologie, das ist Quatsch.“ Die Großstadt sei in sich selbst die ökologische Katastrophe: Wo Hochhäuser stünden, sei es deswegen auch unsinnig, gegen Müllverbrennungsanlagen zu kämpfen, befand er. Es skizzierte die Idee einer Sonderwirtschaftszone Ostdeutschland, die sich vom Markt abkoppelt und „aus dem Kapitalismus rausmarschiert“.
Die absolut unzulängliche Moderation durch den Abgeordneten Hartwig Berger sorgte dafür, daß Bahro ungebremst sprechen konnte. Selbst Unmutsäußerungen aus dem Publikum („Ist das eine Podiumsdiskussion oder ein Solovortrag?“) hatten keine Wirkung. Lediglich Bahro ereiferte sich in beschämender Weise und giftete: „Das ist die Methode, mit der Ende der 20er Jahre die NSDAP Veranstaltungen gestört hat.“
Die konkrete Zukunft des ökologischen Landbaus auszuloten, war deswegen dem agrarpolitischen Sprecher der Brandenburger Grünen, Jens Siebert, vorbehalten. Einen Ausweg aus der hohen Arbeitslosigkeit sei der ökologische Landbau schwerlich. Weil in Brandenburg die Böden von sehr schlechter Qualität seien, seien auch bei einem nicht auf Massenproduktion ausgerichteten ökologischen Landbau teilweise 100 Hektar nötig, um eine Arbeitskraft zu ernähren – mithin also keine bessere Relation als in der agrarischen Großproduktion. Bahro indes hatte geschätzt, daß ein Hektar Land eine Arbeitskraft ernähren könne. Gerd Nowakowski
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen