: Kein Katzenjammer-Blues
■ Die zwei Breminale Blues Nights mit hochkarätigem Programm und guter Stimmung
hier bitte den
weißen Musiker
Ronnie Earl, dehnt den Blues zum Jazz
Einer hatte den Blues im Endstadium: etwas verloren und scheinbar völlig unbewegt stand der junge Mann die vollen 14 Stunden der beiden Bluesnächte lang an den selben Pfeiler gelehnt vor der Bühne. Während die anderen enthusiastisch die Musiker bejubelten, stürmisch Zugaben verlangten, oder immer tiefer ins bierselige Bluesnirwana abdrifteten, klatschte er nicht einmal Beifall — trank nichts, aß nichts, rauchte nichts: er stand nur da und hörte zu.
Und der Blues wurde hier in
vielen Stimmungen heraufbeschworen. The Guy Forsyth Band begeisterte das Publikum mit ihrem energiegeladenen Stil. Bei ihrem „ersten Auftrit außerhalb von Texas“ kletterte Frontman Forsyth einen der Masten des Zirkuszeltes empor, um mit seinem mächtigen Bariton von oben den Blues von seiner verlorenen Liebe zu schreien.
Ganz anders dann Bill Carter & the Blame, die klassisch die Kompositionen Carters interpretierten: durchweg gute Songs, die er für seine alten Kumpel von den Fabulous Thunderbirds oder Stevie Ray Vaughan schrieb. Ronnie Earl & the Broadcasters zeigten dann im ausgefeiltesten und musikalisch interessantesten Auftritt des Festivals, wie weit man die Grenzen des Blues zum Jazz hin ausdehnen kann. Der brilliante Gitarrist spielte neben seinen eigenen Songs Standards von Coltrane, Miles Davis und Art Blakey. Außer seinen eleganten und verteufelt smarten Gitarrensoli waren auch die Passagen auf dem Piano und der elektrischen Orgel, die von Bruce Katz gespielt worden, eine Wonne für die Feingeister unter den Bluesfans.
Viel bodenständiger spielte die Ford Blues Band, die an beiden Abenden jeweils einen Veteran begleitete: Zuerst Luther Tucker, der ein wenig aussah und klang wie ein nicht ganz so unanständiger Chuck Berry, und am zweiten Abend dann Lowell Fulson, der seine schon sprichwörtlich gewordene Komposition „Every day I have the Blues“ sang. Fulson war die charismatische Persönlichkeit dieser Bluesnächte — verstärkt durch den Bläsersatz der Bremer Band No Mercy gab er neben seinen Klassikern auch Soul und Funk Songs, und als er bei den Zugaben dann Tucker und Ronnie Earl auf die Bühne holte, hatte die Stimmung im Zelt ihren endgültigen Höhepunkt erreicht.
Seltsam kühl wirkte dagegen der Auftritt der Denny Freeman Band mit Joe Sublett. Vielleicht waren sie zu sehr unter Druck, weil die Aufnahmen dieses Konzerts als Album erscheinen sollen. Obwohl sie einige Stücke extra für diesen Abend komponiert hatten, spielten sie am Publikum vorbei.
Und dann der letzte Auftritt des Bluesfestivals: Eddy Clearwater ist Showman mit großen Gesten und sympathischem Teddybärgrinsen, der auch aus den einfachsten Gitarrenriffs den letzen Tropfen Spaß herauspressen kann. Sein Blues war Partymusik: „Sweet Little Sixteen“ und „Sitting on the dock of the Bay“, mit auf dem Rücken gespielter Gitarre und anderem Kokolores, der mit einer herzerfrischend guten Laune dargeboten wurde. So endeten diese gutorganisierten und hochkarätig besetzen Bluesnächte in ausgelassener Partystimmung — vom Katzenjammer der restlichen Breminale war hier nichts zu spüren. Willy Taub
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