Der Himmel über Bremen: gemein!

■ Die Breminale im Regen, aber auch unter'm Himmelszelt: Ein Sonntagabend, umsonst und draußen, von fünf Schicksalstagen

Der kleine Geiger hängt standhaft an seinen feuchten Fäden und geigt eine kleine Melodie für niemand. Oben drüber beugt sich der Puppenspieler und hält höchstselbst den Regen von dem Kerlchen ab. Die polnischen Holzhandwerker sitzen relativ trocken unter improvisierten Regenplanen und lassen ihr Holz naß werden.

Freilaufende Spaßmacher laufen mit ihren Spaßköfferchen wie absurde Doktoren durch den Matsch; immer auf der Suche nach einem Träublein Menschen, denen sie lachen helfen könnten oder die vielleicht bloß stehenbleiben im Regen. Ja, messerscharfe Stadtirokesen machen trotz allem mit Löffeln den Blues! Und schließlich trotzt stolz das klasse trojanische Pferd dem Wetter und hofft doch, ein Publikum möge kommen; und wenn's ein feindliches Heer wär'!

Sonntagabend jedenfalls hatte der Himmel kein Einsehen mit Manfred Fleckenstein und Harald Siegel, Breminalemacher, denen das Fest diesmal teilweise auf der eigenen Tasche liegt und ziemlich drückt. Bei Regen mit etwa DM 120.000 Miesen! Darum war der Himmel manchmal auch ein Zelt und ließ hartnäckige Vergnügte wieder trocknen. Und dann war meist gleich der Bär los. Allein die Straßentheatraliker mit ihren aus dem Publikum gezauberten Ulknudeln! Und die Heerscharen lieblicher Kindlein! Trotzdem alles in allem: Lange Regen. Lange Leere. Lange Gesichter.

Der Mann mit den Tonmäuschen und den Tonhäuschen hat ab Sonntag die Maus schon mal für die Hälfte verkauft, wenn's die Kunden nicht passend hatten. DM 1.500 hat er für drei Tage Stand bezahlt, ein Wunder, sagt er, wenn sich das bezahlt machen sollte. Und auch der Cocktailstand, dem karibische Gefühle und Temperaturen besonders gut stehen und vor allem den Verkauf anregen, stand beleidigt in der Ecke. Würste wird man ja bei jedem Wetter los.

Ja, die Breminale ist ein Fest, das einem leid tun kann oder muß. Obwohl Mitgefühl mit Veranstaltern keine gute Eigen

Fisch und SpaßFoto: Tristan Vankann

schaft für Besucher ist. Zuviel Wichtigkeit, wenn nicht Verantwortung, lastet da gradezu auf jedem Beliebigen, und seien's ich und du. Und wenn dann abends

auch noch die Kleinen ins Bett müssen und die als Zauberwald verkleideten Recyclinghof-Vogelscheuchen veröden, dann fühlt man sich fast verpflichtet,

ein wenig zwischen den Gebilden herumzuhüpfen, damit alles nicht so schlimm ist. Oder die bluminösen Lichtobjekte nicht nur wohlwollend als interessantes Gelichter zur Kenntnis zu nehmen, sondern darüber auch noch nachzusinnen.

Während der sonnigen Abschnitte, so berichten chronische Flaneure, hätten immerhin zahllose glückliche Kinder mit ihren glücklichen Müttern, durchmischt von glücklichen Vätern, den Weserrandstreifen zum Tummel-, wenn nicht Rummelplatz gemacht. Und warum auch nicht: die Breminale als kleines, aber feines Spielplatzfest fürs Viertel und den ein oder andern Delmenhorster, das ist durchaus okay. Und dann spielt ja abends auch die Musik auf, durchaus hochkarätig. Und rund um die Zelte funkeln abends rührendste Glühbirnchengirlanden und zaubern Geheimnisse aus dem Dunklen, als wär's ein riesiger Hut. Und Häppchen und Getränke gibt's auch.

Warum also will man unbedingt den Einzugsbereich vergrößern? Warum investiert man soviel in teure Werbung? Die meiste Masse kommt doch aus dem Ostertor! Warum schüttet man seine kulturellen Asse aus den Ärmeln als wären's Füllhörner? Theater und Literatur, diesmal schon eingespart, hat z.B. kaum eine vermißt; schließlich geht's ja um Spielen und Flanieren. Wo wir dabei sind: Reicht nicht ein großes Musikzelt mit einem Programm? Mit der Folge, daß alles weniger kostete: auch weniger Durchhaltevermögen für Macher? Und nicht sklavisch von Imponderabilien wie Sonne und dergleichen abhängt?

Es scheint, als wären hier größere Ambitionen lebendig, die sich für den Teller schämen, über dessen Rand sie unbedingt hinausschauen wollen. Ein bißchen wie die Breminale-Fische, die auf ihren Stelzen an allen Ecken hoch hinauswollten. Vielleicht etwas tiefer gehängt, und da wäre schon Wasser unter der Flosse. Claudia Kohlhase