■ Illustre Illustrierte (1)
: Knarre oder Gift?

Wer hat nicht schon insgeheim mal daran gedacht, die überfürsorgliche Mutti oder den quengelnden Lebensabschnittsgefährten um die Ecke zu bringen?! Nur, das ist leichter geträumt als getan. Zwar wissen wir spätestens seit der knallenden Liebe zwischen Petra Kelly und Gert Bastian, daß ein Schießeisen auch in grün-alternativen Haushalten ein Halfter findet, doch nicht jeder wohnt nun mal mit einem prominenten Nachrüstungsgegner zusammen, bei dem man sich eine passende Knarre ausborgen könnte. Beratung in solch dringenden Todesfragen leistet seit sechs Jahren das Magazin caliber aus dem Kölner GFI-Verlag. „Die aktuelle Zeitschrift für jeden, der schießt“, so der Untertitel, zeigt sich auch in der Juni-Ausgabe dem Leserservice verpflichtet. Neben einem Test der beliebtesten Magnum-Revolver wird etwa die „reinrassige Großwildbüchse 416 Rigby“ vorgestellt.

caliber liefert allen impotenten Ballermännern auch dengeistigen Überbau: „In vielen Fällen ist der Wunsch, den Waffenbesitz einzuschränken, ein Symptom für Geisteskrankheit“, schreibt der „Waffenrechtsexperte“ Mark Moritz. Die „Hoplophobie“ (Angst vor Waffen) sei nur durch psychiatrische Behandlung zu heilen, denn: „Diejenigen, die den Besitzern von Waffen mit Haß begegnen, hassen oft in Wirklichkeit ihre Eltern.“ Und damit hat Moritz sein Pulver noch nicht verschossen: „Unter keinen Umstän den“, schlußfolgert er, sollte man Hoplophobikern „erlauben, an der Formulierung von Waffengesetzen mitzuarbeiten“. Aber sinnloses Rumballern ist nicht allein Ausdruck der individuellen Freiheit kerngesunder Bürger, sondern auch kniffliges Handwerk: caliber bietet genaueste Anleitungen für den Bau eines „Patronenrundlauf-Meßgerätes“ wie zur Bedienung der Pulverwaage – und kann damit leider nur geduldigen Mördern als Handreichung empfohlen werden.

Wenn's um Mutti oder den Lebensabschnittsgefährten geht, greift man statt zur komplizierten Knarre wohl doch besser zum bewährten Arsen. Micha Schulze