Nebensachen aus Tokio: Die Kaiserin der Frauenbewegung
■ Der „Masako-Effekt“ oder: Wäscht Naruhito seine Unterhosen schon selbst?
Der 9. Juni rückt bedrohlich näher. Das bislang Undenkbare wäre dann nicht mehr rückgängig zu machen. Karrierediplomatin heiratet Kronprinz. Wie soll Japan mit dem Masako-Effekt leben können?
Verständlicherweise beschäftigt die bevorstehende Hochzeit nicht nur Boulevardgazetten und Talk-Shows. Es ist ein Alptraum für die Phantasie der japanischen Feministinnen, daß Nippons Hillary ausgerechnet ins Kaiserhaus und nicht etwa beim Premierminister einziehen will. Zwar stammt auch Tenno-Sohn Naruhito, Masakos Zukünftiger, nach der Legende von der Sonnengöttin Amaterasu ab, die dem japanischen Kaiserhaus seinen femininen Ur-Touch gab. Doch solche Rückbesinnung, seit dem Krieg als Geschichtsmystifizierung enttarnt, kann über die patriarchalische Tradition der ältesten Monarchie der Welt nicht hinweghelfen. In diese tausendjährige Linie reiht sich am 9. Juni erstmals eine selbstbewußte, emanzipierte junge Dame ein. Was hat frau in Japan davon zu halten?
Unser Freundinnenkreis ist gespalten wie selten zuvor. Obwohl von Kronprinz Naruhito berichtet wird, daß er während eines mehrjährigen Studienaufenthalts in Oxford seine Unterwäsche immer selber wusch, gilt er nicht als sichere Hausmannpartie. Zwar hat Naruhito in seinen Palast für das neue Paar einige Privatzimmer reservieren lassen, ein Novum im häuslichen Kaiserleben. Doch selbst das garantiert keine Unantastbarkeit für die Frischvermählten. Seit Jahrhunderten lebt die Tenno-Familie abgeschlosen von aller Öffentlichkeit, umgeben nur von den Beamten des Hofstaats. Noch heute überschauen die 1130 Angestellten des kaiserlichen Haushalts jeden Aspekt des Palastlebens. Gegen ihren Einfluß erscheint sogar das mutige Versprechen des Kronprinzen, Masako „mit aller Macht“ vor den Restriktionen des Hofstaates schützen zu wollen, als billiger Freiertrick.
Die größten Sorgen um Masako hatte frau sich gerade während der letzten Wochen gemacht. Da mußte die in den Eliteuniversitäten von Harvard, Oxford und Tokio ausgebildete 29jährige Diplomatin erneut wie ein kleines Mädchen die Schulbank drücken. Wie jedes neuangehende Mitglied der Kaiserfamilie vor ihr, unterlief Masako die berüchtigten Indoktrinationskurse der Hofbeamten. Kalligraphie, Lyrik, Verfassungslehre und die Geschichte der kaiserlichen Rituale stehen auf dem offiziellen Programm der Tenno- Lehre. Was sich wirklich dahinter verbirgt, läßt sich nur beim Anblick derjenigen vermuten, die jene Schule durchlaufen haben. Erschrocken stellt frau heute fest, daß Masako bereits das gleiche weiße Stirnband trägt, welches der ebenfalls bürgerlichen Vorgängerin und zukünftigen Schwiegermutter Michiko während ihrer Hochzeitsvorbereitungen 1959 aufgesetzt wurde. Der Verdacht lag nahe, daß Masako sich diesen langweiligen Kopfschmuck nicht selbst ausgesucht hatte. „Ich finde diese Tradition bedrohlich“, urteilte sodann unsere Freundin Reiko, „wenn sich eine kluge, aufgeklärte Frau wie Masako innerhalb weniger Tage so umgekrempeln läßt.“
Die Boulevardzeitungen sahen das natürlich ganz anders. „Sogar eine Karrierefrau findet ihr Glück in der kaiserlichen Ehe!“ In diesem Tenor begleiteten die Medien die zumindest aus Kleidung und Gestik abzulesene Zähmung der Masako Owada, wie ihr von der Öffentlichkeit schon fast vergessener Nachname lautet. Nun machten sich selbst die führenden Feministinnen des Landes Sorgen. „Wenn Masako nicht glücklich wird“, warnte die Soziologin Chizuko Ueno das Kaiserhaus, „dann kann der nächste Kronprinz wirklich keine Frau mehr finden.“ Tatsächlich hatte Naruhito sechs Jahre lang um Masakos Gunst geworben, während derer er herbe Rückschläge ertragen mußte, bis sie endlich ihre Meinung änderte und einwilligte. In der Zwischenzeit war die Glücklosigkeit des heute 32jährigen Kronprinzen – aufgrund ihrer Inflexibilität und Firmenverpflichtung das Schicksal immer mehr junger japanischer Männer — ins Gerede gekommen. Doch was stört das heute noch die Hofbeamten?
„Das Tenno-System hat Masako schon voll integriert“, meinte Reiko. „Es wäre unvernünftig, von Masako zu erwarten, daß sie allein das Kaiserhaus ändern kann.“ Mit dieser Einschätzung wäre Reiko nun zu den feministischen Fundamentalistinnen zu zählen.
Doch gibt es auch Realo- Frauen: „Masako symbolisiert einen neuen Lebensstil“, sagte ausgerechnet Yukaka, die sich mit ihren beiden Kindern und einer vollen Redaktionsstelle schwertut. „Michiko spielte mit ihrem Prinzen immer Tennis, was früher ein Sport für reiche Leute war und heute jeder kann. Genauso zwangsläufig wird Masako ein Vorbild sein.“ Welch ein Dilemma für die japanische Frauenbewegung, wenn ihr Idol erst Kaiserin ist. Georg Blume
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