Ertrinken trotz der Hilfe

Die Weltbank will in Bangladesch für 10 Milliarden Dollar Dämme bauen / Dämme schaden der Landwirtschaft /Umweltschützer initiieren internationale Kampagne  ■ Aus Straßburg Michael Knüfer

Die Weltbank hat kein Glück mehr mit ihren Dämmen. Gerade erst hat sie nach langjährigem Protest der indischen Regierung bei der Finanzierung des Narmada- Staudammprojektes die Unterstützung entzogen, da gerät ihr nächstes Stammdamm-Projekt in die öffentliche Kritik. Der Flood Action Plan (FAP) der Weltbank für Bangladesch wird zum Thema einer internationalen Kampagne, die sich Ende vergangener Woche in Straßburg gegründet hat.

Was ist der FAP? In den Jahren 1987/88 war Bangladesch von außergewöhnlich starken Überschwemmungen betroffen. Die Weltbank wurde 1989 auf einem Treffen der G7-Staaten beauftragt, ein Konzept zur Flutkontrolle für Bangladesch zu erarbeiten. Der daraus entstandene FAP ist eines der umfangreichsten Projekte, das die Bank je in Angriff genommen hat. Hauptziel des FAP ist es, die regelmäßigen Überflutungen durch die Eindeichung der drei Hauptflüsse des Landes (Ganges, Brahmaputra, Meghna) in den Griff zu bekommen. Die Kosten des Megaprojektes werden sich auf mindestens 10 Milliarden US-Dollar belaufen. Die Bauzeit soll 15-20 Jahre betragen.

Doch gegen diese am grünen Tisch geplanten Dämme regt sich vor Ort mehr und mehr Kritik. Shapan Adnan, Professor an der Universität von Chittagong erklärte bei der Gründung der Kampagne in Straßburg: „Die Planer der Weltbank haben offensichtlich die Bedeutung der Überschwemmungen für unser Land nicht erkannt. Überschwemmungen sind nicht per se eine Katastrophe, sie sind im Gegenteil absolut notwendig für unsere Landwirtschaft. Werden künftig die regelmäßigen Überschwemmungen wegfallen, werden die Erträge unserer Landwirtschaft zwangsläufig sinken.“

Die eigentlichen Katastrophen werden durch die von Wirbelstürmen erzeugten Sturmfluten verursacht. Bei einer dieser Fluten kamen noch 1991 über 100.000 Menschen ums Leben. Gerade der durch den Bau von Flutbunkern relativ einfach zu erreichende Schutz der Küstenbevölkerung müßte daher erste Priorität haben. Dafür sind im FAP aber nur ein Prozent der Mittel vorgesehen.

Neben dieser Fehleinschätzung befürchten die Kritiker weitreichende soziale und ökologische Auswirkungen des FAP:

– die Eindeichung der Flüsse des Landes wird zu einem Rückgang der Fischbestände führen. Dies in einem Land, in dem 80 Prozent des Eiweißbedarfs der Bevölkerung durch Fisch gedeckt wird.

– ein von der Kreditanstalt für Wiederaufbau mitfinanziertes Pilotprojekt wird die Umsiedlung von 100.000 Menschen zur Folge haben. Die später geplanten Projekte werden bis zu 5 Millionen Menschen betreffen.

Khushi Kabir, Direktorin des Dachverbandes von Nichtregierungsorganisationen in Bangladesch, beklagte zudem die mangelnden Beteiligungsmöglichkeiten der lokalen Bevölkerung an den Planungen der Weltbank.

Gegenwärtig befindet sich der FAP noch in der Forschungsphase. Noch bleibt also Zeit für die Kritiker des Plans. Um den Druck auf die Weltbank und die beteiligten Generationen zu erhöhen, wurde in Straßburg das Kampagnennetzwerk gegründet. Ziel der Kampagne ist die Offenlegung sämtlicher Planungen, ein Moratorium für laufende Baumaßnahmen und die Einsetzung einer unabhängigen Kommission, die die sozialen und ökologischen Auswirkungen des FAP untersuchen soll.

Erste Reaktionen sind schon erkennbar. Die Bundesregierung hat die Entsendung einer Untersuchungskommission nach Bangladesch beschlossen. Auf der dritten FAP-Konferenz Mitte Mai in Bangladesch erklärte Weltbank-Chef Lewis Preston, es gelte, ein zweites Narmada um jeden Preis zu verhindern. Diese Angst wollen die Umweltschützer für ihre Kampagne nutzen.