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"Bald gibt es in Berlin Krieg"

■ Wie Türken in Kreuzberg auf die Solinger Morde reagieren: Den Behörden in Sicherheitsfragen nicht trauen und möglichst keine Schwäche zeigen / Angeblich sind die meisten Türken schon bewaffnet

Kreuzberg. Für Jakob ist die Lösung klar: „Blut auf Blut“, verlangt der junge Türke in dem Import- Export-Laden in der Oranienstraße, in dem es plötzlich ganz still geworden ist. Eben noch haben sich die sechs jungen Männer unter Gejohle quer über die Glastheke Gummibälle zugeworfen. Beim Stichwort „Solingen“ aber hört jeder Spaß auf. Jakob läßt das schnell hervorgeholte Elektroschockgerät bedrohlich knistern. Das Bowiemesser, das nun auf der Theke neben Plastikuhren und Tischdecken liegt, dient als Beweis für die Wehrbereitschaft der Kreuzberger Türken. „Wenn die das noch mal machen“, sagt einer, „gibt es bald Krieg.“

Daß die Kreuzberger Türken über Solingen nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, ist in den Gemüseläden im Einzugsbereich der Skalitzer Straße mit einem Blick sowenig zu erfahren wie in den Sportclubs oder Reisebüros. Das Leben geht weiter, ein Trauerflor für die fünf Ermordeten ist nirgendwo ausgehängt. Aber wer nachfragt, dem wird viel von Waffen erzählt und von der Bereitschaft, sie zur eigenen Verteidigung auch einzusetzen. „Auf die Dauer werden wir uns das nicht gefallen lassen“, erklären auch besonnen wirkende Männer in gesetztem Alter. Nun soll agiert werden: „Es wird hier in Berlin eine Treibjagd gegen Nazis geben.“

Über die Organisation von Selbstschutzgruppen, die einer erwähnt, wollen die meisten nicht reden. Ob sich nun tatsächlich 80 Prozent aller Kreuzberger Türken bewaffnet haben, wie viele behaupten – wer soll es nachprüfen? Nicht mehr zu unterscheiden ist in der Aufregung dieser Tage, was bloße Kraftmeierei und Verdrängung berechtigter Angst ist, was Kalkül zum Schutz der eigenen Gesundheit. Fest steht nur, daß die Stimmung gereizt ist und das Vertrauen in den Schutz deutscher Behörden denkbar gering.

Selbst in der Verhaftung des 15jährigen in Solingen sehen die Gesprächspartner nur noch einen Vorwand: „Die wollen uns beruhigen.“ Die Hintermänner, so glauben sie, würden bewußt geschont. Verwunderlich ist diese verbreitete Einstellung nicht. Mit der Polizei haben viele schon schlechte Erfahrungen gemacht: „Viele sind selber Nazis.“ Und dann kommen die Beispiele. Häßliche Beispiele.

Von Demonstrationen ihrer deutschen Mitbürger erwarten auch die Männer im Hinterzimmer des Sportclubs wenig. Politische Fragen scheinen weniger wichtig als praktische. Seine in einem auch von Deutschen bewohnten Hochhaus gelegene Wohnung werde wohl nicht angezündet, überlegt ein Familienvater ernsthaft.

Der Mord von Solingen wirkt wie die Erinnerung an eine lange dauernde Demütigung. Die Resignation schlägt um in Gewaltphantasien. Wenn die deutsche Polizei keinen Erfolg hat, will einer das türkische Militär den Kampf gegen Neonazis führen lassen. Kreuzberg ist für die Türken eine Festung: „Wir laden gerne die Skinheads und Neonazis hierher ein.“ Die Einladung klingt sehr ernst. mon

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