: Karlsruher Abtreibungsurteil
■ "betr.: "6 : 2 für die Männergesellschaft" etc., taz vom 29.5.93
betr.: „6:2 für die Männergesellschaft“ etc., taz vom 29.5.93
Dieses Urteil aus Karlsruhe ist ein Rückfall in die Zeit der Hexenverbrennung. Die katholische Kirche und ihre stockkonservativen Mitläufer haben gewonnen, zusammen mit Kohl und Genossen. Im Superwahljahr 1994 muß damit endlich Schluß sein.
Der einzige Weg, Frauen und anderen Diskriminierten in dieser Gesellschaft zu mehr Selbstbestimmung zu verhelfen und die Extremisten in Regierung und im Verfassungsgericht abzuschaffen und durch Menschen mit Verstand zu ersetzen, ist eine grundlegende Änderung der Machtverhältnisse in diesem Lande. Da bis auf ganz wenige Ausnahmen aus SPD- Kreisen nur Bündnis 90/Die Grünen hier uneingeschränkt für die Rechte der Frauen eintreten, ist diese Partei der einzige Hoffnungsträger, die Arroganz der Macht des vorigen Jahrhunderts zu knacken.
Der politische Schwachsinn in diesem Lande führt dazu, draußen in der Welt nur noch verschämt als Deutscher auftreten zu können – mehr noch, es am besten zu verheimlichen. Diese Epoche sollte beendet werden! Peter Vogelgesang, Walldorf
Diese Republik ist kaum noch wiederzuerkennen. Die Veränderungen gehen in Richtung auf einen Staat, der unfrei ist, wie es der deutschen Tradition entspricht, und der zugleich in wirtschaftlichen Dingen Ungleichheiten schafft. In der gleichen Woche, in der das Asylrecht bis zur Unkenntlichkeit verändert wurde, hat das Bundesverfassungsgericht faktisch ein Zweiklassenrecht geschaffen. Wer wohlhabend ist, hat keine Probleme, abzutreiben. Wer, wie es in den neuen Bundesländern allzu oft der Fall ist, an der Armutsgrenze lebt, wird quasi mit einer Geldstrafe belegt, wenn die Krankenkassen den Eingriff nicht bezahlen. [...]
Ich habe den Eindruck, daß neugeschaffene Rechtsnormen in der Bundesrepublik nur der Besitzstandswahrung der Wohlhabenden dienen und zu altem Unrecht neues Unrecht hinzugefügt wird. Das neue Asylrecht soll ja vor allem auch die öffentlichen Kassen schonen. [...]
Die Politiker in Stadt und Land betreiben dieses Geschäft. Da ist nichts mehr heilig, die Grundrechte sowieso nicht. Wenn die Verfassungsrichter mitwirken, dann sollte man sie auch behandeln wie den Rest. [...] Das Bundesverfassungsgericht sollte nicht mehr wie eine Monstranz behandelt werden.
Richter werden wie andere Arbeitnehmer eingestellt, auch Verfassungsrichter. Die Wahl der Bundesverfassungsrichter wird nach einem Verfahren vorgenommen, das zutreffend als Kungelei der Parteien beschrieben werden kann. Hier wird weniger Recht gesprochen als vielmehr Politik betrieben. Solange dieses Wahlverfahren gilt, wäre ich dafür, mit diesen Politikern in der Richterrobe ebenso hart umzugehen wie etwa mit einem Minister, der Wasser predigt und Wein säuft. Es ist mir eine ganz besondere Freude zu erklären: „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“ Richard Kaiser,
Neukirchen-Vluyn
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