Radeln gegen den Ring

■ Am Sonntag wollen Tausende von Fahrradfahrern in der Innenstadt demonstrieren / Neue Luftmessungen in Straßen

Am Sonntag nachmittag werden Berlins Autofahrer auf die Geduldprobe gestellt. Denn von 14 Uhr bis in den späten Nachmittag hinein werden die Straßen auf dem geplanten Innenstadtring weitgehend den Radlern gehören. Die Initiatoren vom „Bündnis Innenstadtring“, einem Zusammenschluß von rund 50 Initiativen, erwarten bei schönem Wetter rund 20.000 Fahrradfahrer. Dazustoßen sollen auch zahlreiche Teilnehmer, die aus dem Umland anreisen.

Begleitet wird der Korso von acht Straßenfesten in den Bezirken und der symbolischen Eröffnung eines „Naturparks“ am Gleisdreieck, dessen Vegetation nach Ansicht der Umweltschützer durch das Logistikzentrum für die Neubauten am Potsdamer Platz bedroht wird.

Der Protest richtet sich in diesem Jahr nicht nur gegen den vom Senat forcierten Ausbau des City- Ringes, sondern vor allem gegen die Planungen zum Tiergartentunnel. Johannes Pernkopf als Sprecher der Initiative erklärte gestern, dadurch werde zusätzlicher Verkehr in die Innenstadt hineingezogen. Senat und Bundesregierung wollten im Zuge der Hauptstadtplanungen den Individualverkehr auf die Anwohner „abwälzen“. Für die „Bürgerinitiative Westtangente“ verwies Karl-Heinz Ludewig auf die Kosten des 2,4 Kilometer langen Tunnels. Das Projekt werde aller Voraussicht nach eine Milliarde Mark kosten und den angespannten Berliner Haushalt zusätzlich belasten.

Unterdessen wartete gestern die Umweltschutzorganisation Greenpeace mit neuen Ergebnissen über Luftwerte auf, die in den letzten zwei Wochen in der Beusselstraße in Tiergarten und der Wilhelm-Pieck-Straße in Mitte gemessen wurden. Allein in der Beusselstraße, die im Entwurf zum Flächennutzungsplan als überörtliche Verbindungsstrecke aufgeführt wird, wurden laut Greenpeace im Tagesdurchschnitt Dieselrußkonzentrationen von 26 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen. Damit sei der vom Länderausschuß für Immissionschutz (LAI) festgelegte Toleranzwert von 1,5 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft um das 17fache überschritten worden. Spitzenwerte von 76 Mikrogramm hätten selbst „die schlimmsten Befürchtungen“ der Umweltschützer übertroffen, erklärte gestern Carsten Körnig, Luftexperte von Greenpeace.

In der Wilhelm-Pieck-Straße ergaben die Messungen des Spezialwagens, der die Luft 1,30 Meter über dem Asphalt ansaugt (sogenannte Kindernasenhöhe), Durchschnittswerte bis zu 19 Mikrogramm und Höchstwerte von 40 Mikrogramm.

Körnig kritisierte, daß nach wie vor gesetzliche Grenzwerte für Dieselrußwerte in der Bundesrepublik fehlten. Eine entsprechende Empfehlung des Bundesumweltministeriums, die einen Grenzwert von acht Mikrogramm Dieselruß pro Kubikmeter Luft festlegt, sei bislang nicht in das Bundesimmissionsschutzgesetz eingearbeitet worden. Severin Weiland