■ Tunnel: Die ganze Wahrheit: Röhre und Glotze
Zugegeben: Einfache Weisheiten wie „Männer machen Geschichte“ standen zu unserer Zeit nicht mehr in den Schulbüchern. Aber wir haben dafür lange an die bunten Schaubilder geglaubt, mit deren Hilfe der Sozialkundelehrer uns das Funktionieren der Demokratie erklären wollte: Souverän, dicker grüner Pfeil, Parlament, dicker roter Pfeil, Regierung – und wie das alles zusammenhing. Ein bißchen sind wir irre geworden an unserem Glauben, seit wir versuchen, die Hauptstadtplanung zu beschreiben: Wer warum wo – und vor allem: mit welchem Recht – über einen Amtssitz entscheidet, wer offizielle Wettbewerbsergebnisse umschmeißen darf, oder wo plötzlich die Wahnsinnsidee eines Tunnels unter dem Brandenburger Tor herkommt. Das alles sind Vorgänge, die längst auf keine Buchseite mehr passen, sondern nur noch auf die vier Schnittbogen- ähnlichen Plakate, die unser Bauredakteur täglich mit Filzstiften in sechs verschiedenen Farben auf den neuesten Stand bringt.
Gestern hat der gute Mann mit einem Gesichtsausdruck, der zwischen Erbitterung und Erleichterung zu schwanken schien, die Filzstifte beiseite gelegt und gestammelt: „Die Röhre kam aus der Glotze.“ Schuld an diesem Zusammenbruch ist offensichtlich Volker Hassemers Rücksichtslosigkeit gegenüber Menschen, die noch an geregelte Entscheidungsfindung in der Politik glauben. Frank und frei hat der Senator gestern erzählt, daß er selbst die Tunnelidee am 1. April im Interview mit einem privaten TV-Sender in die Welt gesetzt hatte – als Aprilscherz. Die Bonner nahmen das ernst. Nun droht die Verwirklichung der Schnapsidee. Wir denken seither über vieles nach und versuchen ständig, unseren Sozialkundelehrer zu erreichen. Aber der Mann geht nicht ans Telefon. Hans Monath
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