■ Das Portrait: Vuk Drašković
Kurswechsel sind die Spezialität von Vuk Drašković. Seine politische Karriere begann der bärtige Demagoge Ende der Sechziger als Führer der Belgrader StudentInnen. Das Gefängnis im Belgrader Stadtteil Padinkska Škela, in dem er seit Mittwoch einsitzt, kennt der Vorsitzende der „Serbischen Erneuerungsbewegung“ SPO noch aus dieser Zeit. Doch von dem Internationalismus, den „Vuk“ 1968 den revolutionären Massen im Zentrum der serbischen Hauptstadt gepredigt hatte, ist nichts übriggeblieben. Längst hat der bärtige Populist mit der tiefen, wohltönenden Stimme seine marxistischen Ideen zugunsten eines extremistischen Serbentums aufgegeben.
Foto: Reuter
Auch der Nationalismus des Vuk Drašković ist gut für Überraschungen: Mal singt der Rauschebart Tschetnik- Lieder mit dem nationalen Extremisten Vojslav Šešelj, mal tritt er vor Tausenden von SerbInnen als Verteidiger der bosnischen MuslimanInnen auf. Diese mannigfaltigen Verkleidungen lassen bei vielen liberalen und linken Oppositionellen im nachtitoistischen Serbien gar den Verdacht aufkommen, der Vorsitzende der SPO habe an sich gar kein politisches Programm abseits seiner eigenen Person. Vielleicht ist der 1946 Geborene gerade aufgrund dieses Mankos der einzige Politiker im restjugoslawischen Staat, dem die national fanatisierten Massen gegen Milošević folgen würden.
Drašković hat es seit seiner „Bekehrung“ zum Nationalismus in den späten Siebzigern verstanden, sich gerade der ländlichen serbischen Bevölkerung als Apostel eines neuen Serbien zu präsentieren. Für die Massenverarmung der Bauern machte der Charismatiker mal die Kommunisten, mal die Kosovo-Albaner verantwortlich. Die Bauern glaubten dem Führer der SPO in beiden Fällen, obwohl Drašković nie auch nur den Versuch machte, über die reine Kritik heraus Vorschläge zur Lösung der von ihm angesprochenen Probleme zu entwickeln. Mit Milošević verbindet „Vuk“ der perspektivlose Populismus, den die ländliche Bevölkerung Serbiens, die die eigentliche Stütze des Regimes des serbischen Präsidenten ist, wählt. Draškovićs Verhaftung im Anschluß an die Demonstrationen vom Mittwoch kann zweierlei bedeuten: Entweder hat sich Milošević seinen Hauptfeind vom Halse geschafft, oder er hat der nationalistischen serbischen Opposition einen Märtyrer geschenkt. Rüdiger Rossig
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen