Sperrgebiet gegen Ozon

■ Großversuch im Ballungsraum Heilbronn: Baden-Württembergs Umweltminister Harald Schäfer will beweisen, daß lokale Fahrverbote bei Sommersmog sinnvoll sind

Heilbronn/Berlin (dpa/taz) – Ganz Schlaue hatten schon den Schleichweg über Autobahnausfahrt und Bundesstraße ausgespäht. Aber auch sie werden vor den Polizeisperren stehen, mit denen die Stadt Heilbronn den Ernstfall probt. In einem großangelegten Modellversuch will Baden Württembergs Umweltminister Harald Schäfer (SPD) beweisen, was eigentlich niemand bezweifelt: Am allsommerlich wachsenden Ozongehalt der Atemluft ist überwiegend der Autoverkehr schuld.

Schon am nächsten Donnerstag, dem 10. Juni, könnte es soweit sein – wenn das Wetter mitspielt und für die erforderlichen 110 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft sorgt. Bei diesem Wert sind gesundheitliche Schäden nach Meinung der meisten Experten nicht mehr auszuschließen. Bei einigermaßen stabiler Hochdrucklage („Sonnenschein ist nicht nötig“, sagt das Ministerium) ist mit dieser Schwellenkonzentration in Süddeutschland stets zu rechnen. Der Ballungsraum von Heilbronn und Neckarsulm wird dann vier Tage lang zum Sperrgebiet für Autos erklärt: Fahren darf nur noch, wer eine Sondererlaubnis, einen sauberen Diesel oder einen geregelten Dreiwegekatalysator besitzt.

60 Prozent der in Heilbronn zugelassenen Pkw genügen keiner dieser Bedingungen, schätzt das Stuttgarter Ministerium. Die Polizei ist angewiesen, sie von der Straße zu weisen. Zu Hause bleiben muß deswegen niemand. Busse und Bahnen bieten Sonderfahrpläne an, die Bahn befördert ihre Kunden zum halben Preis auf den Lokalstrecken zwischen Neckarsulm, Sinsheim und Schwäbisch-Hall.

Meteorologen der Landesanstalt für Umweltschutz werden während des Versuchs die Heilbronner Luft vermessen. Sie haben die Frage zu entscheiden, „ob sich sommerliche Ozonspitzenwerte senken lassen, wenn lokal und zeitlich begrenzt der Schadstoffausstoß gedrosselt wird“, schreibt das Ministerium. Experten hatten bisher eben dies verneint, etwa mit dem Hinweis, daß besonders hohe Ozonwerte weitab von Ballungsgebieten auftreten.

Politischen Sinn macht der Versuch in jedem Fall: Schäfer fordert eine bundsweite Sommersmogverordnung. Ihm leuchtet nicht ein, daß bei starkem Sonnenschein seine Behörde die Kinder nach Hause schicken, aber die Autos weiter fahren lassen muß. Daß Verkehrsbeschränkungen durchsetzbar sind, beweist seine Aktion schon jetzt. Die Bevölkerung Heilbronns stellt sich gelassen auf die Versuchstage ein, nur wenige Einzelhändler befürchten Umsatzeinbrüche. Fünf Großindustrien der Region haben ihre Imagechance gewittert und wollen ihre Produktion gleichfalls einschränken – darunter auch die Audi-Werke in Neckarsulm. Den Autobauern dürfte die Betriebspause freilich aus anderen Gründen willkommen sein – sie haben letzte Woche Kurzarbeit angekündigt. Und im Sperrgebiet ein wenig fahren dürfen sogar die größten Stinker: die Autobahn wird nicht geschlossen, die Polizei will lediglich versuchen, Tempo 60 durchzusetzen. nh