: Was heißt hier angepaßt?
■ Über „Angepaßte Technologie“ wird seit langem gestritten
Ein ehemaliger US-Banker plaudert aus dem entwicklungspolitischen Nähkästchen: In Togo „finanziert die Bundesrepublik ein bedeutendes Stahlwerk in der Nähe von Lom, der Hauptstadt des Landes. Nach der Fertigstellung stellt die Regierung fest, daß es keinerlei Eisenerze oder Schrottmetall gibt, um die Anlage anzufahren. Deutsche Techniker demontieren eilig einen eisernen Pier am Hafen. Nach der Verarbeitung dieses Alteisens stellt das Stahlwerk seinen Betrieb ein.“
Dieses groteske Beispiel, wiedergegeben bei Susan George („Die Verschuldung der Dritten Welt“, 1988), ist fast zwanzig Jahre alt. Ungefähr zur gleichen Zeit entstand auch der Begriff der „Angepaßten Technologie“, zunächst als Gegenmodell zu Großprojekten in Ländern der „Dritten Welt“. Aus der Erfahrung, daß diese fast überall scheiterten, die Umwelt schädigten und obendrein die Staatsverschuldung erhöhten, wurden neue Kriterien entwickelt. Technologie müsse sich an den lokalen Ressourcen ausrichten, müsse eher arbeits- als kapitalintensiv sein, müsse die Umwelt schonen und dezentral einsetzbar sein – „angepaßt“ eben. Hunderte von TechnikerInnen und EntwicklungsexpertInnen machten sich daran, handbetriebene Maismühlen und Wasserpumpen zu designen, jede Art von brennholzsparenden Öfen zu entwickeln und Kuhmist zur Energiegewinnung einzuplanen. Doch seltsam: Viele der so mühevoll geplanten Produkte gelangten zwar zum Patentamt und gereichten den ErfinderInnen zu Ruhm und Ehre, doch die vorgesehenen „Zielgruppen“ in den ländlichen Gebieten des Südens wollten sie nicht haben. So wandelte sich der Ansatz. Nun ist von Akzeptanzproblematik und Partizipation die Rede.
Energieknappheit und gestiegenes Umweltbewußtsein haben die regenerativen Energien, vor allem Sonne und Wind, neu in Mode gebracht. So wurden schon Anfang der achtziger Jahre Millionen von Mark in Test-Solardörfer in Entwicklungsländern gesteckt. Danach wußten die beteiligten Firmen mehr über ihre eigene Technik, und der damalige Forschungsminister Riesenhuber hatte nun auch erkannt, „daß die Beachtung sozialer und kultureller Erfordernisse eine ganz wesentliche Voraussetzung für den Erfolg eines solchen Projektes ist.“ Das soziale Kriterium gesellte sich hinzu. Doch trotz jahrzehntelanger Diskussion: So richtig einig sind sich die ExpertInnen nicht, was denn nun unter dem Begriff der „Angepaßten Technologie“ eigentlich zu verstehen sei. Legen die einen viel Wert darauf, daß eine eingeführte Technik auch im Land selbst nachzubauen sein muß, so schließt das den gesamten Bereich der solaren Stromerzeugung aus. Die nämlich ist zwar den natürlichen Ressourcen angepaßt, aber mit Ausnahme Indiens ist kein Entwicklungsland in der Lage, Solarzellen herzustellen. Wer aber nur Technologie nutzen will, die auf traditionellen und in den Ländern bekannten Verfahren beruht, sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, die Industrieländer wollten den Süden vom aktuellen technischen Know-how fernhalten. Der Probleme sind da viele - der Streit geht weiter. pkt
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