: 10 Mark für eine Unterschrift
■ Prozeß in Bremerhaven wegen Fälschung von Unterschriften bei der Bürgerschaftswahl
10 Mark für eine Unterschrift
Prozeß in Bremerhaven wegen Fälschung von Unterschriften bei der Bürgerschaftswahl
“Die Abweichungen sind so gravierend, daß man sie ohne näheres Hinsehen erkennt“, sagte Dietrich Kleine, Wahlleiter in Bremerhaven. Er legte gestern die plump gefälschten Unterschriftenlisten der „Europäischen Föderalen Partei“ (EFP) beim Amtsgericht Bremerhaven vor. In insgesamt 84 Fällen wirft die Anklage dem Bundesvorsitzenden der EFP, Lothar Gügel, Herstellung oder Gebrauch von gefälschten Signaturen vor. Gügel steht wegen Urkundenfälschung vor Gericht.
Jeweils 98 Unterschriften brauchte die „Europäische Föderale Partei“ (EFP) im Sommer '91, um sich an den Wahlen zur Bürgerschaft und zur Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung zu beteiligen. Bei den Wahlen am 29. September erreichte die kleine Partei allerdings nicht einmal die erforderlichen 0,5 Prozent, um die Wahlkampfkosten erstattet zu bekommen. Also sah sich die EFP neben dem politischen Mißerfolg auch noch den Schulden aus dem Wahlkampf gegenüber. Weil er sie nicht zahlte, hatte der EFP-Vorsitzende eine Anklage wegen Betruges am Hals. Seine Gläubiger zahlte Gügel gestern im Gerichtssaal aus.
Den Vorwurf der Urkundenfälschung wies Gügel weit von sich. Ebenso wie seine ehemaligen Mitarbeiter, die als Zeugen geladen waren, beteuerte er, niemals eine Signatur fälschlich in die Listen eingetragen zu haben. „Nie habe ich daran gedacht, daß die Unterlagen nicht korrekt sein könnten. Drei ehemalige Mitarbeiter von Gügel sind nicht als Zeugen erschienen, zwei von ihnen sind spurlos verschwunden.
Möglicherweise war es nicht der fanatische Glaube an die hehren Ziele der EFP, der die unbekannten Fälscher zu ihrer Tat trieb. Denn für jeden abglieferten Schriftzug gab es von der Parteileitung Bares: zehn Mark auf die Hand. Vielleicht auch nur fünf, so sicher ist sich da heute, nach zwei Jahren, niemand mehr. „Die Regelung sollte sauber, solide und korrekt sein“, meint Gügel, „wir wollten nicht die Unterschriften bezahlen, sondern die Zeit unserer Mitarbeiter, die sie sammelten.“ Eine Regelung, die in ihrer Art von Akkordarbeit nach Mißbrauch nur so schrie.
Auch wenn Gügel die eigenhändige Fälschung nicht nachzuweisen wäre — für die Verurteilung wegen Urkundenfälschung, daran erinnerte Richter Höhle, reicht schon der Gebrauch der Unterlagen. Das hat Gügel getan, als er die Listen beim Wahlbüro einreichte. Aber wird Staatsanwalt Bohlen ihm einen Vorsatz nachweisen können? Der Prozeß wird am Mittwoch, den 16.Juni fortgesetzt.
Bernhard Pötter
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