: Dom Perignon statt grüner Bananen
■ Eartha Kitt war in Bremen / Viele kurze Leben zwischen Barhocker und Chaiselonguen in der Schauburg
Kai machte eine etwas steife Figur auf der Bühne der Schauburg. Kein Wunder: Wer Eartha Kitt (65) vor 500 tobenden Zuschauern ein Fläschchen Champagner servieren darf, verkrampft leicht.
Sonntag abend. Die Bühne ist nur matt ausgeleuchtet. Aus den Lautsprechern plätschert ein Blues, ein bißchen Bass, eine Prise Piano, hier und da ein kühler Schlag auf die scharfe Kante der kleinen Trommel; die Gitarre trippelt leicht hinter dem Rhythmus her.
How old are you? Eartha schleicht um den jungen Mann und rollt in höllischen Tiefen ihr rrrrrrr. Der mit dem Tablett steht wie angeschraubt auf der Bühne. Twenty-eight, antwortet er artig. Eine kleine Ewigkeit vergeht, die Zeit vom Todesurteil bis zur Vollstreckung. Da läßt die Spinne den Strick etwas lockerer: Nobody's twenty-eight any more sagt Eartha und zieht ein Gesicht, als hätte man ihr eine grüne Banane zum Verzehr angeboten. Ihre Beute ist wieder frei. Next time you send your father.
War das ein Abend. Eartha Kitt in der Schauburg, die große Welt des entertainment im kleinen Bremen. In drei Minuten ist eine verflossene Liebe schnell erzählt, brother, keep on wishing, while my dreams come true — without you. Wut, Häme, Befreiung, Could I leave you fünf Minuten abgrundtiefe Zweifel, dann ein hartes, trockenes yes! Alles in einer Stimme und es stimmte alles: die räkelnde Laszivität bei Cole Porters Laziest girl in town, das unschuldig-verdorbene Schmachten bei Friedrich Hollaenders Jonny, wenn du Geburtstag hast, die enttäuschte Hoffnung bei Brechts Seeräuber-Jenny.
Eartha Kitt singt Geschichten, und natürlich sind es die Geschichten der Eartha Kitt. Kalte Abrechnung, heiße Leidenschaft, dabei nur wenig spärliche Gesten: Die ausgestreckte Hand, die am Körper entlangfährt, zur Kralle wird und in der Luft kratzt, dann explodiert plötzlich der ganze Körper. I want to be evil singt sie, und man sucht vorsichtshalber schon mal den rettenden Ausgang. Ach, singen kann man das doch nicht mehr nennen, mal faucht da ein Ungeheuer im schwarzen Tüllkleid von der roten Chaiselongue, mal lockt es mit unwiderstehlich sanftem Timbre auf dem Barhocker. Hilfe, Odysseus, wo ist das Wachs?
Natürlich wird sie von der Gage für das Bremer Konzert Beluga-Kaviar in einem Londoner First-class-Hotel bestellen, mit einer großen Flasche Dom Perignon.
Denn die Zeiten sind vorbei, daß man bad old Eartha den Stuhl für die Tür gesetzt hat. 1952, erinnerte sie sich mit einem diabolischen Grinsen, hat die Columbia ihren Produzenten gefeuert, weil der ihr einen Plattenvertrag besorgt hatte. Many million records later you gave me a gold record, thank you very much. Weg war sie.
mad
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen