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Nachschlag

■ Der „Berliner Autorenkreis“ ließ lesen

Das könnte als Enthüllungsfoto für Gremlizas konkret taugen. Ein Stuhl, darauf ein Autor; davor ein Tisch, darauf ein Schild. Und da steht: „F.C. Delius“; und gleich darunter: Adenauer-Stiftung. Die roten Alarmglocken an, Verräter-Outen ist angesagt. Das gäbe sicher ein paar spitze Pointen über den couragierten Prozessierer gegen Horten und Siemens, den Autor des Romans „Adenauerplatz“. Aber die Zeit für derart denunziatorische Kindereien scheint abgelaufen, und zum Wischiwaschi des „breiten Bündnisses aller Demokraten“ muß dennoch nicht übergelaufen werden.

Eine geglückte Balance jenseits literarischer Agitation lieferte die Autorenlesung am Sonntag nachmittag am Molkenmarkt in der ehemaligen Bibliothek des DDR-Kulturministeriums. Eingeladen hatte dazu der von dem Schriftsteller Sigmar Schollak initiierte „Berliner Autorenkreis“, eine recht rührige, lose Vereinigung ohne ideologische Beschränkungen. Die Adenauer-Stiftung stellte lediglich die Räume zur Verfügung und sorgte damit für das (vom jeweiligen Standpunkt aus) richtige oder falsche Publikum. Neben Delius, der Passagen aus seiner eindrucksvollen Erzählung „Die Birnen von Ribbeck“ vortrug, las Dieter Schubert, in der DDR 1979 aus dem Schriftstellerverband hinausgeworfen, eine eher naturalistisch-betuliche Jagdgeschichte vor. Mit von der Partie war auch Bernd Wagner, der seinen (an dieser Stelle schon einmal gerühmten) Text über einen IM vortrug, dem Westdüfte Erektionen verursachen. Das stimulierte einen älteren Herren zu der Frage, um welche konkreten Düfte es sich dabei handle: apartes Beispiel für die Synthese zwischen Potenzproblemen und gutbürglichem Literaturinteresse.

Eine weniger erheiternde Mischung wurde allerdings auch geboten: die zwischen elitärem Kulturkonservatismus und Edelrassismus. Angeregt durch die aktuelle Diskussion nach den Lesungen, meldete sich ebenfalls ein älterer, ziegenbärtiger Herr zu Wort, der „bestimmt nichts verharmlosen“ wollte und mit dieser Einleitung schon Schlimmstes befürchten ließ: „Die Türken gehören eben doch nicht zu unserem christlichen Abendland und lassen sich nie so integrieren wie unsere Italiener und Spanier.“

Jetzt erwies sich als gut, daß diesmal diejenigen mit den treffenden Antworten gleich vor Ort waren. Die drei Autoren und Freya Klier als Zuhörerin gaben Paroli, dessen rationaler Gehalt durchaus auf Nachdenklichkeit stieß. Eine Marginalie? Eher das von Schollak geforderte „Inanspruchnehmen von Demokratie“ im kleinen Raum anstatt moralisierender Rhetorik und Schulterklopfen im geschlossenen linken Freundeskreis. Die erkennbare Unwilligkeit des Berliner Autorenkreises zum autistischen Kaffeekränzchentum und seine Fähigkeit, Konflikten produktiv zu begegnen, lassen weitere Veranstaltungen dringend geraten sein. Sie sind selten genug. Marko Martin

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