Nur ein Markstück für 34 Schiffe

■ Senat prüft Kaufangebot für landeseigene Reederei / Grüne warnen vor Verlusten in Millionenhöhe und fordern Bericht

Der Senat überlegt, die landeseigene „Stern- und Kreisschiffahrt GmbH“ für eine Mark zu verkaufen. Entsprechende Verhandlungen bestätigte gestern die Verkehrsverwaltung der taz. Die Landesregierung sei an einem entsprechenden Kaufangebot interessiert, sagte Abteilungsleiter Klaus-Peter Stuckert auf Anfrage, weil der Käufer erhebliche Summen investieren wolle. Es werde allerdings noch mit einem weiteren ernstzunehmenden Kaufinteressenten verhandelt.

Den drohenden Verkauf der landeseigenen GmbH für eine Mark hatte gestern Michaele Schreyer, Abgeordnete des Bündnis 90/Grüne, öffentlich gemacht. Der Verkaufswert der Gesellschaft betrage dagegen 41 Millionen Mark (im Jahr 1991). Ihre Fraktion befürchtet nun, daß bei einem Verkauf zu einer Mark Landesvermögen „verscherbelt“ würde. Außerdem könne diese „undurchsichtige Transaktion“ dazu führen, daß sich das Linien- Angebot der insgesamt 34 Schiffe verschlechtere, Arbeitsplätze in erheblichem Umfang verlorengingen und auf das Land Folgekosten zukämen.

Schreyer monierte, daß der Senat ein Kaufangebot eines weiteren Interessenten abgelehnt habe, obwohl dieser 20 Millionen Mark geboten habe. Ihre Fraktion fordert, daß dem Abgeordnetenhaus über den Stand der Verkaufsverhandlungen Rechenschaft abgelegt werde und eine ihren Worten nach nie erfolgte Ausschreibung europaweit erfolge.

Laut Stuckert habe es dagegen die geforderte Ausschreibung längst gegeben. Das Kaufangebot in Höhe von 20 Millionen Mark bestätigte er, schränkte aber ein, daß das interessierte Unternehmen abgesprungen war, nachdem es in England in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sei. Der Abteilungsleiter sprach ebenfalls davon, daß die Zahl der 34 Schiffe im kommenden Jahr auf 28 und die Zahl der 159 Arbeitsplätze reduziert werden soll. Dies habe die Geschäftsführung der landeseigenen Reederei vorgeschlagen, um die Verluste in den beiden vergangenen Jahren von jeweils drei Millionen Mark zu minimieren. Die Verluste seien durch die Vereinigung der damals Westberliner „Stern- und Kreisschiffahrt“ mit der Ostberliner „Weißen Flotte“ entstanden, weil die Ostflotte veraltet und der Personalstand unangemessen hoch gewesen sei. Diese Rationalisierungspläne, denen der Betriebsrat noch zustimmen müsse, kämen auch den Vorstellungen der potentiellen Käufer entgegen. Schreyer sprach sich gestern dafür aus, mit dem Verkauf der Fahrgast-Reederei zu warten, wenn zur jetzigen Zeit kein angemessener Preis erzielt werden könne — selbst wenn jährlich zwei bis drei Millionen Mark aus dem Landeshaushalt zugeschossen werden müßten. Im Vergleich zur gerade gegründeten landeseigenen Tourismus GmbH, die den Steuerzahler jährlich vier bis acht Millionen Mark kosten werde, sagte die grüne Politikerin, stünde dem Land Berlin mit der „Stern- und Kreisschiffahrt“ ein „günstiges Werbeinstrument“ zur Verfügung. Dirk Wildt