Wo gehobelt wird: Skandal am Besselpark?

70 Jahre alte Bäume müssen dem taz Neubau weichen. Damit haben wir uns als taz völlig unmöglich gemacht – oder doch nicht?

„Baum fällt“ – die Japanischen Schnurbäume werden für die taz abgeholzt. Bild: Wolfgang Borrs

Die taz ist wie jede andere Zeitung auch BaummörderIn, das liegt in ihrer Natur als „Holzzeitung“. In den Papierrollen, aus denen täglich rund 60.900 tazzen entstehen, sind natürlich auch Bäume verarbeitet worden, Recycling hin oder her.

Neuerdings, so empfinden es zumindest einzelne AnwohnerInnen der südlichen Friedrichstadt, betätigt sich die taz auch aktiv am Mord am Baum. Die taz holzt ab – für ihren Neubau an der Friedrichstraße 20–22.

„Ist die taz inzwischen so bieder und angepasst geworden, dass sie sich hinter Verwaltungsakten verschanzt? Nein“

Auf diesem Baugrundstück, welches bisher als ausgesprochen hässlicher Parkplatz diente, standen fünf Ahorne, eine Eiche und zwei Japanische Schnurbäume. Letztere waren um die 70 Jahre alt. Waren. Sie wurden inzwischen abgeholzt. Nur warum lässt ausgerechnet die taz so etwas zu? Offen gesagt: Die taz hat das nicht nur zugelassen, sie hat die Fällung sogar selbst beauftragt. Mehr noch, sie beantragte die dafür notwendige Baumfällgenehmigung beim Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.

Eine Anwohnerin protestiert

Dieser prüfte und genehmigte. Die taz wird dafür bezahlen müssen, denn niemand darf in Deutschland gesunde Bäume fällen, ohne für Ausgleich zu sorgen.

Man könnte sich jetzt mit einer Floskel behelfen und sagen, wo gehobelt wird, fallen Späne. Und in gewisser Weise hat dieser Satz auch seine Wahrheit: Wo Neues entstehen soll, muss Altes weichen. Und hier soll etwas Neues entstehen. Ein neues Zuhause für die taz.

Als die MitarbeiterInnen des beauftragten Gartenbauunternehmens vor einigen Tagen anrückten, versuchte eine einzelne Anwohnerin im Eilverfahren noch, das, in ihren Augen, Schlimmste abzuwenden.

Wenigstens die Japanischen Schnurbäume sollten zum Naturdenkmal erklärt werden. Der Bezirk lehnte ab. Es gäbe gültige Bebauungspläne, gültige Bau- und Fällgenehmigungen. Alles ist rechtens. Trotzdem mag ein unangenehmer Nachgeschmack bleiben, angesichts einer geschlagene Einzelkämpferin vor einem Haufen Grünschnitt.

Arbeitsbedingungen der taz Menschen verbessern

Ist die taz inzwischen so bieder und angepasst geworden, dass sie sich hinter Verwaltungsakten verschanzt? Nein, die Sache sollte nüchterner betrachtet werden: Die Bauherrin taz ist darauf angewiesen, dass Verwaltungshandeln verlässlich ist.

Und die taz ist ein Medienhaus, das ein Produkt abliefern muss, welches LeserInnen zufrieden stellt. Um solch ein Produkt zu erstellen, braucht es, neben journalistischem Handwerk und Integrität, einen vernünftigen Platz zum Arbeiten.

Die Umstände, unter denen die taz-Redaktion heute arbeitet sind, freundlich formuliert, verbesserungsbedürftig. Der Neubau soll diese Verbesserungen endlich schaffen, in einem Haus, das ökologischer nicht sein könnte. Verbesserungen für taz-Menschen sind das eine, AnwohnerInnen die sich sorgen, etwas anderes. Tatsache aber ist, die taz verdrängt niemanden – sie wird auf ihre Weise dieses Viertel schöner und lebenswerter für alle machen.

Die Planungen des Bezirks sind, so ist der aktuelle Stand, nicht darauf angelegt, die bisherige Bevölkerung in der südlichen Friedrichstadt loszuwerden. Im Gegenteil: „Im Kreativquartier ist festgelegt, wofür Grundstücke genutzt werden dürfen“, erklärt Andreas Bull, taz-Geschäftsführer.

Veränderungen gestalten

Durch die strengen stadtplanerischen Vorschriften werde verhindert, dass das Viertel dem freien Markt anheimfällt. „Für den klassischen Investor ist das uninteressant, er kann nicht einfach machen, was er will.”

Die Nachbarschaft wird sich natürlich verändern, zum Guten“

Doch die Nachbarschaft wird sich natürlich verändern, zum Guten. Ob die AnwohnerInnen davon profitieren, hängt auch von ihnen selbst ab und ihrer Bereitschaft, sich in die Diskussionen um den Wandel in ihrem Kiez lebendig einzubringen. Die Bauhütte neben der alten Blumengroßmarkthalle bietet diesem Dialog ein Forum. Allerdings: In wenigen Jahren muss auch sie Platz machen – für Bäume. Der bisherige Parkplatz, auf dem sie steht, kommt weg, damit der Besselpark erweitert werden kann. Dafür bietet das dann neu eröffnete taz Café Platz zum Diskutieren. Für den Kiez.

PETER WEISSENBURGER, MANUEL SCHUBERT