piwik no script img

Kräftiger Mann wird zierliche Frau

Die bekannte Hamburger Rechtsanwältin Ursula Erhardt ist vom Amtsgericht Altona vom Vorwurf des Widerstands gegen Polizeibeamte freigesprochen worden. Der Vorfall hatte sich Ende 1991 vor dem Punkhaus „No Pasan“ an der Lobuschstraße ereignet. Im Verlauf einer Festnahmeaktion war es zwischen Polizei und Anwohnern zu einem Gerangel gekommen, wobei ein Polizist einen Knopf verloren hatte, nachdem ihn ein junger Mann an der Jacke gepackt hatte. Der Polizist erstattete Strafantrag wegen Widerstands und Sachbeschädigung. Als die Ermittlungen vom Staatsschutz übernommen wurden, wurde aus dem „kräftigen Mann“ plötzlich eine „zierliche Frau“ — nämlich die Juristin Ursula Erhardt. Die Anwältin war damals zum Ort des Geschehens geeilt, um gegen das Polizeivorgehen zu intervenieren und einen Mandanten zu vertreten.

Damit nicht genug. Im Verlauf weiterer Staatsschutz-Vernehmungen ging die Phantasie bei dem Beamten ganzlich durch: Plötzlich behauptete er, Ursula Erhardt habe ihn „angesprungen“ und sozusagen an „seiner Jacke gehangen“, bis schließlich ein Uniformknopf abgefallen sei.

Auch im Gerichtsaal wiederholte der Polizist seine Version. Erst auf intensive Befragung von Erhardts Verteidiger Jan Mohr kamen dem Ordnungsghüter am vierten Verhandlungstag gewisse Zweifel. Es sei alles so „hektisch gewesen“, er sei daher nicht sicher, ob tatächlich Ursula Erhardt an der Jacke gehangen habe. Und der Knopf? Der könne auch anderswo abgefallen sein. Amtsrichter Holger Randel, der eigens für diesen Prozeß Überstunden angeordnet hatte, brauchte fürs Urteil nicht lang: Freispruch! Kai von Appen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen