: Vorschlag
■ „Soundpaintings“: Joan La Barbara gastiert heute abend im Podewil
Seit geraumer Zeit sind sie unüberhörbar und im Umgang mit den Sounds unserer Wirklichkeit wohl auch unübertroffen: komponierende Sängerinnen. Die Arbeiten der meist mit einem großen Stimmumfang ausgestatteten Ladys breiten sich flächenbrandartig in der U- und E-Musik aus und entziehen sich dennoch weitgehend stilistischen Zuordnungen. Ihre Intensität entsteht hauptsächlich durch die völlig selbstverständliche Einbeziehung ihres Körpers, der Sprach- und Klangvielfalt des gesamten Planeten sowie durch das konsequente Verarbeiten alltäglicher Wahrnehmung.
Vokalartistinnen wie Meredith Monk, Maggie Nicols, Walentina Ponomarewa, Magda Vogel und Greetje Bijma haben die menschliche Stimme wieder in den Mittelpunkt der Musik gerückt und damit andere Hörebenen erschlossen. Auch die US- Amerikanerin Joan La Barbara gehört zum schillernden Kreis dieser Avantgardistinnen. Ihre „Soundpaintings“ sind dichte, Schicht über Schicht gelegte Vokalgemälde, inspiriert von der abgehackten Atemlosigkeit olympischer Athleten oder La Barbaras verschiedenen Aufenthalten in Berlin. Arbeiten Klees oder die Fotografie eines Vaters, der den Sarg seines Sohnes, eines im Hungerstreik gestorbenen IRA-Kämpfers, trägt, waren ebenso kompositionsauslösend.
„Jedes Mal, wenn ich einen Klang mache, versuche ich zu lernen, denn ich habe nach langer Zeit begriffen, daß die Stimme mich sehr viel besser lehren kann als ich sie“, sagt die Sängerin und benennt damit auch die für ihre Arbeit unerläßliche Klangforschung. Der Einsatz von Technik, die Verwendung von Tonbändern oder elektronischen Mitteln, zum Beispiel zur Verfremdung, ist für La Barbara dabei ebenso selbstverständlich wie die Auslotung des menschlichen Ur-Instruments. Scheinbar mühelos entlockt sie ihren Stimmbändern kehlige Knacklaute, gutturales Geheul, die Brunftschreie ganzer Geflügelfarmen und kreischende Kreissägen. Oder, wie bei „To hear the wind roar“, einer ihrer im Podewil auf dem Programm stehenden Kompositionen, der Wiedergabe in abgeschiedener Natur entstandener akustischer Eindrücke. „Als ich 39 war, nahm ich beim Skifahren plötzlich das Vergnügen wahr, dem magischen, unglaublichen Klang in 12.000 Fuß Höhe zuzuhören – die präzise Stille, das Knistern und die Geräusche des Schnees, das zarte Knacken im Eis, das die Zweige bedeckte, und den Wind, der durch die Piniennadeln flüsterte.“ Anna-Bianca Krause
Joan La Barbara: Heute abend um 20.30 Uhr im Podewil, Klosterstraße 68/70, in Berlin-Mitte.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen