: Arbeiten im stählernen Gaskessel
■ Gasag will im Schöneberger Gasometer ihren Hauptsitz einrichten / Denkmalpflege protestiert / Behälter ist verseucht
Die achtzig Meter hohe Stahlkonstruktion des Schöneberger Gasometers droht ihren stadtbildprägenden Charakter zu verlieren. Planungen der Gasag sehen vor, nach der Fusion mit der Ostberliner Ebag Mitte 1993 auf der Schöneberger Insel in Etappen den neuen Hauptsitz der Gasverwaltung für 2.000 Mitarbeiter einzurichten. In einem ersten Schritt könnten auf dem Gelände an der Torgauer Straße drei Verwaltungsgebäude entstehen. Für den Zeitraum nach der Umstellung von Stadt- auf Erdgas im Jahre 1997/98 werden Überlegungen angestellt, in den bestehenden Gasometer einen runden Bürokomplex hineinzubauen. Die Stahlkonstruktion diente dann als ästhetisches Gerüst für neue gläserne Proportionen.
„Das Zusammenführen der organisatorischen Strukturen für ein einheitliches Unternehmen warf Fragen nach einem neuen Gebäude auf“, erklärte Gasag-Pressechef Dieter Ludwig auf Anfrage der taz. Die Idee, den Behälter in Planungsüberlegungen miteinzubeziehen, habe sich angeboten, weil eine spätere Nutzung des Niedrigdruckkessels nicht möglich sei: „Den für Erdgas notwendigen höheren Druck halten nur Kugelbehälter aus.“ Der Schöneberger Hubbehälter mit einem Volumen von 160.000 Kubikmeter sei für den Erdgashochdruck unbrauchbar. Der dünnmetallige Deckel würde bei Erdgasfüllungen „in die Luft fliegen“.
Die „Planungsvoranfrage für ein mögliches 100.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche umfassendes Gebäude“ sei vor dem Hintergrund entstanden, daß das Industriebauwerk „keinen anderen Funktionen“ zugeführt werden könne, sagte Ludwig. Ein bloßer Erhalt brächte jährlich Kosten in „Millionenhöhe“ mit sich, die nicht zu verantworten seien.
Die Absichten der Gasag stoßen beim zuständigen Denkmalpfleger, Dietrich Worbs, auf empörten Widerspruch. Das 1910 errichtete Bauwerk sei ein „Wahrzeichen Schönebergs“. Die „Landmarke“ verweise zugleich auf die Bedeutung, die die Gasversorgung für die Großstadt nach der Jahrhundertwende hatte. Der damals „größte Teleskopbehälter auf dem Kontinent“ bilde eine Chiffre für die Identität des Bezirks und für das Arbeiterquartier auf der sogenannten „roten Insel“. Der Bamag-Kessel mit den Kreuzverstrebungen sei ein von vielen Orten der Stadt aus sichtbarer Orientierungspunkt – „ein Bild dynamischer industrieller Stadtentwicklung“. Der denkmalwerte Behälter müsse weiter „unter Druck gehalten“ werden, sagte Worbs. Eine raumfüllende Bebauung verändere das technische Sinnbild und zerstöre die „zarte Konstruktion“ gänzlich.
Den Vorwurf der Schlafmützigkeit muß sich die Denkmalbehörde gefallen lassen, die bislang versäumt hat, das Industriebauwerk unter Schutz zu stellen und alternative Nutzungsvorschläge anzubieten. Deshalb sieht Schönebergs Baustadträtin Sabine Ritter (Grüne/AL) in der beabsichtigten Umnutzung „die Chance, die Konstruktion zu erhalten“. Dem Schöneberger Kessel drohe sonst der Abriß. Die Unterhaltungskosten für ein Baudenkmal im jetzigen Zustand würden sich „nicht rechnen“. Sorge bereitet Ritter dagegen die vorgesehene Höhe der möglichen beiden halbrunden Einbauten sowie die Verkehrsprobleme, die rund 1.500 zusätzliche PKWs und Autostellflächen verursachten. Straßen müßten verbreitert, ein vorgesehener Park geopfert werden.
Hinzu kommt, daß der bestehende Behälter hochgradig verseucht ist. In seiner „Tasse“ haben sich giftiges Wasser und an der Innenseite Teer- und Ammoniakablagerungen abgelagert. Ein gläserner Rundbau setzt eine aufwendige Altlastenbeseitigung voraus. Rolf Lautenschläger
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